Und alles nur der Liebe wegen
diesen Kerl schnappen und dann erfahren, wer von Ihnen, meine Damen, der Anlaß war. Was dann kommt, wissen Sie. Ich gebe also der Betroffenen bis morgen mittag Zeit, sich mit mir unter vier Augen auszusprechen. Verstanden?«
Die Mädchen nickten stumm. Bedrückt gingen sie in ihre Zimmer.
Dr. Hembach wusch sich noch im Badezimmer, zog sich einen Holzsplitter aus dem Oberarm und kehrte dann in sein Zimmer im Parterre zurück. Auf dem Nachttisch, neben seinem Feuerzeug, einer Schachtel Zigaretten und einem Glas Mineralwasser, lag ein Briefumschlag. Er hatte vorher nicht dagelegen. Er öffnete ihn und zog ein Foto heraus. Ein tanzendes Paar, eng aneinandergeschmiegt. Seine Hand lag auf ihrer Schulter, ihre Arme schlangen sich um seinen Nacken. Sie hatten glückliche, in sich versunkene Gesichter. Ein schönes Paar. »Verflucht!« brummte Dr. Hembach und atmete schwer. Dann zerriß er das Bild und legte sich nervös auf das Bett. Er wußte, warum dieses Bild heimlich auf seinen Nachttisch gelegt worden war. Es war die Antwort auf seine unausgesprochene Frage: »Was hat der Mann bei Ihnen gemacht, Karin?« Es war eine Antwort, die ihn in große Konflikte stürzte.
Zu Hause erwarteten Ludwig Etzel eine aufgelöste Frau und ein wortreicher Hausfreund. Lucia fiel ihrem Mann weinend um den Hals, was Beljonow gar nicht gefiel, denn es paßte nicht in seinen Plan.
Rechtsanwalt Dr. Schachtner tat noch ein übriges, indem er den sich leicht wehrenden Tenor aus dem Zimmer drängte. »Es ist jetzt nötig, daß wir die Eheleute allein lassen«, erklärte er.
»Lucia ist mit den Nerven total am Ende«, protestierte Beljonow.
»Eben. Da kann am besten der Mann helfen. Oder haben Sie andere Erfahrungen?«
»Nein. Natürlich nicht.« Ein unangenehmer Mensch, dieser Rechtsanwalt Schachtner, dachte Beljonow. Warum hat Etzel ihn bloß mitgebracht?
Ludwig kam ohne Umschweife zur Sache. »Wieso ist Peter im Schwarzwald gewesen und nicht hier geblieben?«
Lucia trat an das Fenster und blickte in den herrlichen Garten. Es war unmöglich, jetzt dem forschenden Blick ihres Mannes standzuhalten. »Ich habe gedacht … die gute, würzige Waldluft … er ist unter gleichaltrigen Jungen … was hat er denn hier? Den Garten, den er kennt. Die Freunde sind alle in den Ferien.«
»Ich dachte, du hättest Zeit, mit ihm wegzufahren. Eine Rheintour zu den alten Burgen. Die Mosel hinauf. Vielleicht acht Tage an die Nordsee, wenn du schon so eingespannt bist mit deinen ewigen Parties … Acht Tage hättest du für deinen Sohn übrighaben können.«
»Willst du mir Vorwürfe machen?« fragte Lucia mit belegter Stimme. »Gerade jetzt und gerade du?«
»Was heißt das: gerade du?«
»Du bist doch nie zu Hause, kümmerst dich nicht um uns! Du fährst in der Welt herum …«
»Nicht, um Geld auszugeben, sondern um es zu verdienen, um dir und den Kindern alles bieten zu können. Ich schufte wie ein Lastesel, damit es euch gut geht!«
»Geht es uns gut?« Lucia preßte die Stirn gegen die Scheibe. »Habe ich dich?«
»Du hast deine Parties, deine Freundinnen, den Sportwagen, das Theaterabonnement, spielst Golf und Tennis, besitzest die teuersten Kleider, ein herrliches Haus – was willst du denn eigentlich noch mehr?«
Lucia schaute ihn lange an. »Glück«, sagte sie leise, »Glück und eine normale Ehe, Familienleben, zu dem auch ein Vater gehört – denn Kinder, auch wenn sie älter werden, brauchen den Vater ebenso wie die Mutter.«
»In zwei Jahren ist es besser. Dann habe ich die dänischen Bauten fertig und kann mich etwas ausruhen.«
Lucia fuhr herum. »In zwei Jahren bin ich über vierzig! Die schönsten Jahre sind weg, der Lack ist ab. Zwei Jahre, das ist eine lange Zeit.«
»Das ist ja absoluter Schwachsinn, was du da erzählst, Lucia. Wie kann sich in deinem Kopf so etwas zusammenbrauen?«
Lucia lächelte gequält. »Ach Ludwig, ich wünschte, es wäre Schwachsinn! Wie gerne würde ich mich davon überzeugen lassen! Aber sieh doch mal die Realität an: Wir leben wie zwei Einzelgänger nebeneinander her, fast wie Fremde; dabei haben wir geheiratet, um zusammenzuleben, wenn du dich erinnerst …«
Ludwig saß betroffen auf der Sessellehne und schaute durch die Terrassentür in den wunderschön angelegten Garten hinaus. Die kleine Seejungfrau am Teich, die Seerosen auf dem Wasser, die Birke, unter deren tiefhängenden Zweigen die Zwillinge früher so gerne gespielt hatten, Peters knorriger Kletterbaum – er bot seiner Familie
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