Und alles nur der Liebe wegen
werden konnte. Er fieberte ohne Infektion, ohne Entzündung; daß er das Fieber durch Reiben an der Quecksilbersäule selber erzeugte, wußte und bemerkte niemand.
»Es hat keinen Zweck, wir setzen uns in die Nesseln, Dr. Natz«, entschied schließlich der Direktor. »Der Junge fährt nach Köln zurück, in fachärztliche Behandlung. Wer weiß, was er ausbrütet; nachher ist es Kinderlähmung! Sofort zurück nach Köln!«
Und so saß Thomas vier Tage nach der Abreise der Etzel-Zwillinge fröhlich und gesund im Zug nach Köln und freute sich auf das Wiedersehen mit Monika. Im Hauptbahnhof holten ihn seine besorgten Eltern, die man telefonisch von seiner Krankheit unterrichtet hatte, ab. Um so erstaunter waren sie, als der kranke Junge fröhlich aus dem Zug sprang und den Eltern lachend entgegenlief.
»Du siehst ja gar nicht krank aus, Tommi«, stellte Frau Andau erleichtert fest und umarmte ihren Sohn.
Josef Andau maß seinen Sohn mit abschätzenden Blicken. »Heute kein Fieber?« fragte er.
»Keins, Papa! Und auch morgen und übermorgen nicht. Ich bin kerngesund.«
»Da soll doch einer …« Josef Andau versuchte, Strenge zu zeigen und väterliche Autorität. »Also fingiert? Theater?«
»Ja, Papa.«
»Grund?«
»Nachher, Papa.«
»Und das Fieber mit achtunddreißig Grad?«
»Habe ich von dir.«
»Von mir?« Josef Andau sah unsicher auf seine kleine Frau.
»Der Trick mit dem Thermometer.«
»So werden die Söhne wie die Väter«, seufzte Frau Andau und sah ihren Mann lächelnd an. »Soll man sich da noch wundern? Na, auf jeden Fall ist der Junge hier. Das ist die Hauptsache.«
Am Abend saßen Vater und Sohn vor dem Kamin, tranken einen Cognac und rauchten.
»Nun schieß mal los«, begann Josef Andau. »Was wird hier gespielt? Der Trick mit dem Thermometer hat doch seinen Grund.«
»Ich habe auch einen Grund, Papa«, sagte Thomas und sah dem Rauch seiner Zigarette nach.
»Und der wäre?«
»Er ist langbeinig, hat blonde Haare und heißt Monika.«
»Und so etwas leistest du dir kurz vor dem Abitur?«
»Ja, Papa!« Thomas strahlte seinen Vater an. »Wegen Monika werde ich ein Abitur hinlegen, wie du es noch nicht gesehen hast! Erst war mir das gleichgültig, aber jetzt will ich ran! Monika soll stolz auf mich sein.«
»Das muß ja ein Wundermädchen sein.« Josef Andau entkorkte eine Flasche Wein. »Ich sehe sie mir an, diese Monika.«
»Monika Etzel.«
»Von dem Architekten?«
»Genau.«
»In Ordnung. Es bleibt unter uns, Thomas. Du bist ein Glückspilz.«
»Und du bist ein Super-Papa!« strahlte Thomas und prostete seinem Vater zu.
Zwei Stunden schwebten Peter und die Kriminalbeamten mit dem Militärhubschrauber über die Felsen. Sie sahen alles Mögliche: Kletterer, Kühe auf den Almen, ein Liebespaar auf einer kleinen Bergwiese, drei Gemsen und herrliche Hirsche, aber das geheimnisvolle Haus in den Felsen entdeckten sie nicht.
»Aus! Schluß!« sagte der Offizier in der gläsernen Kanzel. »Nun kennen wir jede Bergspalte. Wir fliegen zurück.«
Peter war dem Weinen nahe, als der Kriminalrat ihn im Haus des Bürgermeisters von Retzenhaus ins Gebet nahm und ihm vorwarf, er narre die Polizei mit seiner blühenden Phantasie. In Wirklichkeit sei es doch wohl so, daß er zu Hause ausgerissen sei und nichts als Abenteuer erleben wolle. »Das kann deinen Vater teuer zu stehen kommen«, bemerkte der Kriminalrat böse. »Die ganze Suchaktion muß er bezahlen. Das ist nicht billig, mein Lieber!«
»Natürlich bin ich weggelaufen«, gab Peter zu, »das habe ich ja erzählt. Und auf der Autobahn bei Heidelberg, da hat mich dieser Mann mit dem Sportwagen –«
»Schluß jetzt!« befahl der Kriminalrat laut. »Erzähle das deinem Vater! Den rufen wir jetzt an, daß er dich abholt. Wenn du mein Sohn wärst, Bürschchen, dann könntest du jetzt was erleben.«
Da man nicht wußte, wohin mit Peter, bis Ludwig Etzel angereist kam, steckte man ihn in den Raum im Spritzenhaus, in dem man sonst Landstreicher verwahrte. Hier richtete sich Peter häuslich ein, bekam vom Bürgermeister zwei Karl-May-Bücher und wartete auf seinen Vater.
In Köln schlug die Nachricht aus dem kleinen Retzenhaus wie eine Bombe ein.
»Peter ist wiedergefunden, gesund und munter«, rief Ludwig nach dem Anruf aus Österreich, »wir sollen ihn abholen. Der muß ja toll was gedreht haben. Ich soll drei Hubschrauberstunden und anscheinend die halbe Polizei Österreichs bezahlen!«
Karin lief sofort zu ihrer Mutter hinauf. »Sie
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