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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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sie
erinnert. Gut. Es war auch nicht einfach, wenn sich jemand ständig von fremden
Mächten verfolgt fühlte. Und andauernd in dem Glauben lebte, dass der Troidl
ein KGB -Spion wäre. Aber sie schmierte immerhin die
Wände nicht mit Kot ein.
    Anscheinend gewöhnte man sich jedoch an alles, denn die Ernsdorfers
waren in letzter Zeit ganz entspannt gewesen.
    In letzter Zeit, dachte ich mir. Ja. Aber in den letzten Tagen waren
sie ziemlich fertig gewesen. Die alte Ernsdorferin war zum Beispiel nicht mehr
zum Einkaufen zum Metzger gegangen. Und auch die junge Ernsdorferin schien seit
Neuestem immer in der Stadt einzukaufen. Wegen der Sonderangebote, sagte sie.
Aber der Verdacht lag nahe, dass sie mit keinem reden wollte.
    Auch wieder verständlich. Bestimmt hatten sie Angst davor, dass die
Rosenkranztanten ihnen vorwarfen, dass sie nicht genügend auf den alten
Ernsdorfer aufgepasst hatten.
    Der Rosenmüller drehte sich um. Er hatte schon wieder diesen
ungesund aussehenden, leuchtend roten Kopf bekommen. Ich rutschte wieder tiefer
hinter mein Lenkrad.
    Der alte Bürgermeister hatte wirklich schlimm Parkinson gehabt,
erinnerte ich mich, während ich halbmast hinter meinem Steuerrad klemmte.
Plötzlich kam es mir abstrus vor, er könnte draußen umherirren. Dass er sich
jemals ohne Hilfe mehr als hundert Meter von seinem Haus entfernt haben sollte,
hörte sich wirklich ausgesprochen unwahrscheinlich an. Jedenfalls, wenn er
keine Hilfe hatte. Fluchthilfe, sozusagen.
    Obwohl ich es natürlich auch verstehen konnte, dass er vor seinem
Sohn fliehen wollte. Er beschwerte sich jedes Jahr, wie wenig Geld es brachte,
einen Parkinsonkranken zu versorgen. Und seine Frau hatte eine steile und tiefe
Stirnfalte bekommen, fast wie die von Großmutter.
    Das Auto vom Ernsdorfer fuhr an meinem Auto vorbei und verschwand um
die Kurve. In den letzten Monaten hatte es den Anschein gehabt, als habe sich
der Ernsdorfer mit seinem Schicksal abgefunden. Aber seit sein Vater
weggelaufen war, war er richtig grau im Gesicht. Wer hätte gedacht, dass er
sich solche Sorgen um seinen Vater machen würde?
    Was mir wirklich Sorgen machte, war, dass der Ernsdorfer sich mit
dem Rosenmüller über seine »g’scheite« Mama unterhielt. Und ihn dabei noch
duzte. Pastoralreferenten duzte man nämlich nicht. Das waren G’studierte aus
der Stadt, und da sagte man brav Sie, auch wenn man sich mit ihnen eins hinter
die Binde goss. Entweder, so meine Überlegung, war der Ernsdorfer hochgradig
erregt gewesen, dass er das Studium vom Rosenmüller komplett verdrängt hatte,
oder aber … nein. Das war eigentlich nicht möglich.
    Neben mir klopfte es energisch an die Fahrertür. Ich rutschte mit
einem Quietschen ganz unter das Lenkrad.
    Anneliese machte die Fahrertür auf.
    Â»Was ist los? Ist dein Auto kaputt?«, fragte sie interessiert. »Hast
etwas verloren?«
    Â»Verloren?«, ächzte ich.
    Irgendwie steckte ich mit meinem Hintern fest.
    Â»Erschreck mich halt nicht so«, beschwerte ich mich und versuchte,
durch Drehbewegungen wieder freizukommen.
    Â»Stell dir vor, das glaubst du nicht, was ich gerade gehört habe«,
sagte ich und stemmte mich mit den Füßen, so fest es ging, nach oben.
Irgendetwas klang nach zerreißendem Stoff, dann war ich endlich aus meiner
misslichen Lage befreit. »Der Ernsdorfer duzt den Rosenmüller.«
    Â»Und deswegen parkst du hier schon seit einer Stunde?«, fragte
Anneliese ungerührt.
    Nun, auf den ersten Blick klang das wirklich nicht besonders toll.
Da Anneliese noch immer nichts von dem zerstückelten Ernsdorfer wusste, konnte
sie die Bedeutung des Duzens natürlich nicht nachvollziehen. Wobei selbst ich
nicht verstehen konnte, dass der Ernsdorfer den noch nicht bezahlten
Auftragskiller Rosenmüller duzte, wo er doch Angst haben musste, dass der ihn
ebenfalls umbrachte, wenn er nicht bald das Geld rüberwachsen ließ. Aber der
Ernsdorfer war halt kein versierter Mafiakunde, sondern machte das zum ersten
Mal.
    Oje. Ein Auftragskiller.
    Vielleicht hatte der Knochenkistlmann auch nicht zahlen können und
war zur Strafe vom Rosenmüller ermordet worden.
    Â»Woher weißt du denn, dass ich seit einer Stunde hier parke?«,
fragte ich mürrisch nach. Außerdem war ich jetzt ganz schön unvorsichtig
gewesen. Wenn mich der Rosenmüller dabei ertappt hätte, dass ich ihn beschattete,
wäre ich vielleicht

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