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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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offen.
Er musste einfach etwas anderes gesagt haben. Wieso sollte ein Pastoralreferent
in seiner Gemeinde hausieren gehen? Bestimmt hatte ich etwas falsch verstanden.
Aber so laut, wie der Ernsdorfer geworden war, hatte ich zumindest die Stelle
mit der g’scheiten Mama richtig verstanden. Und irgendjemand hatte ihn nicht
einmal besucht. Und die Aussage, solange er nicht gefunden wird, kriegt keiner
Geld? Mir trat plötzlich der Angstschweiß auf die Stirn, und ich versuchte,
noch ein klein wenig tiefer zu rutschen. Da konnte man sich ja gut
zusammenreimen, was gemeint war. Der Ernsdorfer und der Rosenmüller hatten
gemeinsame Sache gemacht. Der Rosenmüller hatte den alten Ernsdorfer um die
Ecke gebracht und in Müllsäcke verpackt und durch unsere Müllabfuhr entsorgen
lassen. Und jetzt wartete er auf seinen Lohn. Was er dabei nicht bedacht hatte,
mit der ganzen Müllsacksache, war, dass ein Mensch, der nicht gefunden wird, ja
rechtlich erst einmal nicht tot ist, sondern auch noch leben könnte. Und dann
gab’s natürlich keine Erbschaft. Und ohne Erbschaft war der Ernsdorfer
anscheinend nicht flüssig.
    Er konnte den Mörder nicht bezahlen. Jetzt blieb mir der Mund
wirklich offen stehen. Das war ja wie in der Bronx.
    Nein. So war das natürlich nicht, versuchte ich mich zu beruhigen,
während ich mich mit schweißnassen Fingern am Lenkrad festkrallte. Der
Ernsdorfer ging noch einen Schritt auf den Rosenmüller zu und schüttelte
drohend die Faust.
    Â»So geht’s ned!«, schrie er. »Ned mit uns, Herr Rosenmüller, dass d’
des nur weißt! Nur weilst studiert hast, ziehst uns ned übern Tisch, des
möchtst meinen!«
    Mich hätte brennend interessiert, ob auch der Rosenmüller den
Ernsdorfer duzte. Oder ob mit dem Ernsdorfer gerade nur die Gefühle
durchgingen. Aber da der Rosenmüller mit dem Rücken zu mir stand, konnte ich
nicht hören, was der »G’studierte« sagte. Hoffentlich fingen sie jetzt nicht
an, sich zu prügeln. Es reichte doch, dass ich ständig Leichen fand. Bei der
Entstehung einer neuen wollte ich keineswegs zusehen oder irgendwie beteiligt
sein! Aber der Ernsdorfer hatte anscheinend genügend geschimpft, denn er drehte
sich mit den Worten »Du wirst noch von uns hören« um und ging zu seinem Auto
zurück. Eine Weile stand der Rosenmüller bewegungslos auf dem Bürgersteig und
sah dem Auto nach.
    Ha.
    Ich hatte etwas wirklich Wichtiges miterlebt. Der Showdown vom
Ernsdorfer mit dem Rosenmüller. Aber es erklärte gar nichts. Es warf eigentlich
nur neue Fragen auf. Irgendetwas stimmte an der ganzen Sache nicht, und ich kam
einfach nicht darauf, was es war.
    Ich lehnte mich in meinen Autositz zurück und versuchte mich an
früher zu erinnern. An den Bürgermeister, als er noch nicht krank war. Ich
konnte mich einfach nicht mehr erinnern, wann ich ihn das letzte Mal gesehen
hatte. Das war bestimmt schon ewig her – aber wer geht schon draußen spazieren,
wenn er so krank ist?
    Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, sah es aus, als würde er
für einen Sketch von Monty Python üben. Er war mit seiner Frau beim Metzger
gewesen und hatte anscheinend beschlossen, alleine zum Auto zurückzugehen. Die
alte Ernsdorferin hatte ein kurzes Schwätzchen mit meiner Großmutter gehalten
und sich beklagt, was sie für ein schweres Schicksal trug. Ich hatte
währenddessen ihren Mann beobachtet und konnte das mit dem schweren Schicksal
nur bestätigen. Er taumelte ständig nach hinten und machte mit den Beinen
unkoordinierte Bewegungen.
    Â»Schon wieder ein Schub«, hatte damals seine Frau gesagt und sich
beeilt, ihm nachzulaufen. So sah es tatsächlich aus. Als würde ihn jemand von
hinten nach vorne schieben und ziehen. Und die Schwiegertochter kam auch noch
aus der Metzgerei gerannt, um mit verbiesterter Miene ihrer Schwiegermutter zu
helfen.
    Â»Die schaut aus, als wär’s froh, wenn’s mal vorbei ist«, hatte die
Langsdorferin neben uns zufrieden gesagt.
    Großmutter hatte ihr einen so bösen Blick zugeworfen, dass die
Langsdorferin beleidigt von dannen gezogen war.
    Â»Aber sie sehen wirklich so aus, als wären sie froh«, hatte ich die
Langsdorferin verteidigt.
    Â»Ah geh, Mädl«, hatte mir Großmutter gesagt. »Oder freust du dich
auch, wenn ich mal nimmer bin?«
    Â»Du hast auch nicht Alzheimer und Parkinson«, hatte ich

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