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Und bitte für uns Sünder

Und bitte für uns Sünder

Titel: Und bitte für uns Sünder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hanika
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Kreiter geschlichen. Eine Weile blickte ich mich einfach nur um, in der
Hoffnung, dass ich ganz ohne Kontakt zum Kreiter herausfinden konnte, was
gestohlen worden war. Den Rest konnte ich mir notfalls auch aus den Fingern
saugen. Der Letzte Thron . Das musste doch
herauszubringen sein, was der Letzte Thron war. Der
Hans hatte jedem seiner Kunstwerke einen Namen gegeben, ich kannte aber nur den
der geflügelten Mörtelmischmaschine, die Der Fahrende Drache hieß . Wieso, das wusste niemand. Weil jeder im Dorf
fand, dass es wie eine unbrauchbare Mörtelmischmaschine mit unbrauchbaren
Quirlen dran aussah. Erst vor Kurzem hatte ich gesehen, wie der Rosenmüller
stehen geblieben war und mit dem Hans über die Kunstwerke geredet hatte.
    Das ist vermutlich die falsche Formulierung. Denn geredet hatte der
Rosenmüller, und der Hans hatte sehr viel »Mei« gesagt.
    Zum Beispiel wollte der Rosenmüller wissen, was sich der Hans denkt,
wenn er Quirle anschweißt. Und der Hans hatte eine Weile geschwiegen – ganz
sicher hatte er in der Zeit nachgedacht –, um dann sein »Mei« von sich zu
geben.
    Aber dem Rosenmüller hatte das nicht den Wind aus den Segeln
genommen. Er hatte wieder sein Gemeindelächeln bemüht, mit dem er mindestens
zehn Zähne mehr hatte als jeder andere Mensch in diesem Universum, und dann
tapfer weitergefragt.
    Damals, beim Fahrenden Drachen, hatten
sich die Leute beim Metzger derart das Maul zerrissen, dass hinter den
angelaufenen Metzgereifensterscheiben die Stimmung richtig hochgekocht war.
    Â»Wie kann man nur so einen Krampf in den Garten stellen?«, hatte zum
Beispiel die Rosl gefragt. Und die Ernsdorferin hatte gemeint, man sollte den
Hans doch in die Nervenheilanstalt bringen, dann könnte er dort seine ganzen
abartigen Monster ausstellen. Die Kreiterin war damals Gott sei Dank nicht beim
Metzger, sonst hätte es bestimmt einen Mord gegeben. Oder allermindestens eine
Schlammschlacht mit herausgerissenen Haaren und ausgeschlagenen Zähnen.
    Die Kathl hatte zwar versucht, mit toleranten Sprüchen wie »Wem’s
g’fallt« oder »Des tut keinem weh« Ruhe zu stiften, aber die anderen waren der
Meinung, dass der Kreitersche Vorgarten gesprengt gehörte und neu angelegt,
weil man sonst nie den Titel »Das schönste Dorf Bayerns« gewinnen konnte.
    Den Titel würden wir sowieso nicht gewinnen. Allein schon wegen der
angelaufenen Schaufensterscheibe der Metzgerei und der verdorrten Thujenhecke
davor. Und wenn ich an den Garten vom Loisl dachte – da waren ein paar
verrostete Mörtelmischmaschinen ein Klacks.
    An unseren Garten dachte ich erst einmal gar nicht. Der fiel nicht
weiter ins Gewicht.
    Aber die Kathl hatte sich mit ihrer Meinung nicht durchsetzen
können. Die Ernsdorferin war richtig aggressiv geworden. Wie man denn so
verrostetes Zeug im Vorgarten abstellen könne. Und dann noch der Klostuhl, das
sei doch unerträglich. Der Hans sei doch kein Künstler, sondern total verrückt.
    Â»Künstler sind immer ein bisserl verrückt«, erklärte die Kathl
weltgewandt. Ihr Enkelin, die Tschakliiiin, war nämlich mit einem liiert und
hatte sich von dem drei Kinder machen lassen. Wenn das nicht verrückt war.
    Â»Der ist nicht ein bisserl verrückt«, hatte die Ernsdorferin böse
gezischt. »Der bringt uns noch alle um, so verrückt wie der ist.«
    Das fand ich damals schon ziemlich überzogen. Denn der Hans war ein
herzensguter, liebenswerter Mensch. Und er würde nie jemanden umbringen.
Höchstens in Ausnahmesituationen.
    Trotzdem ging ich jetzt hinter dem Gartenzaun in Deckung, als
Hans plötzlich aus der Haustür kam. Er hatte einen Müllbeutel in der Hand, den
er sorgsam zum gefliesten Müllhäusl trug und dort entsorgte. Dann stand er noch
eine Weile vor seinen Kunstwerken und legte den Kopf schief. Die Gelegenheit,
dachte ich triumphierend. Der alte Kreiter weg, sein Sohn alleine im Garten.
    Aber bevor ich auftauchen konnte, ging Hans quer über den Rasen und
schaltete ein Funken sprühendes Gerät ein. Seufzend stand ich auf und sah ihm
eine Weile dabei zu, wie er an etwas herumschweißte, das man vielleicht als
»Rechenkakophonie« bezeichnen konnte. Oder als Monster der tausend Mäuler. Es
sah aus wie ein Alien, das lauter Münder aus Rechen hatte und ausschaute, als
hätte es ständig Hunger. Auch Hans sah aus wie ein Alien. Wie ein

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