... und dann bist du tot
Hagen-
Schrittmacher sagte, dass ihr Chef verrückt nach Wagner sei. Er ging noch immer hin und her. »Kommen Sie bitte auf den Punkt.«
Hagen schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob es wichtig ist oder Ihnen irgendwie helfen kann, aber zum allerersten Mal sprach Schwartz meinen Namen derartig gedehnt aus. Er sagte Haagen statt Hagen.« Nach einer kurzen Pause fuhr Hagen fort: »Und als ich seinen vollen Namen nannte, Fred Schwartz, sagte er - und er war nicht ganz bei Sinnen, wie ich schon erwähnte -, sagte er, das sei nicht sein Name, sondern er sei Siegfried.«
»Siegfried der Drachentöter«, sagte Morrissey.
»Ganz genau.«
Joe blieb stehen. »Kann mir das einer von Ihnen erklären?«
»Richard Wagner schrieb einen fünfzehnstündigen Opernzyklus«, erklärte ihm Hagen. »Dieser ist in vier einzelne Opern unterteilt, und das ganze Werk heißt Ring des Nibelungen. Es ist ein wunderschönes Werk, allerdings ziemlich schwer in gewisser Weise und für viele Menschen zu lang. Die Oper steckt voller Symbole und Mythologie.«
»Der Name des großen Helden«, erklärte Morrissey weiter, »ist Siegfried. Er ist auch bekannt als der Drachentöter, weil er den Drachen tötete, der das Nibelungengold bewachte.«
»Und in der Götterdämmerung«, fuhr Hagen fort, »der letzten Oper des Zyklus, tötet ein Mann namens Hagen den Helden Siegfried.«
»Aber was das alles mit Schwartz und dem, was er getan hat, zu tun haben soll«, fragte sich Morrissey, »das ist mir zu hoch.«
Joe dachte an die seltsamen Gemälde, Zeichnungen und Wandteppiche an den Wänden der Wohnung 1510 und die
Stickereien, die seine Mutter mit einem kunstvollen E signiert hatte. »Es könnte eine Menge mit Schwartz zu tun haben«, sagte er langsam. »Er ist von Drachen förmlich besessen.«
»Wirklich?« Hagen sah verwirrt aus.
»Sie sagten, er sprach von Mensch und Metall?«, fragte Joe.
»Er murmelte diese Worte immer wieder im Schlaf. Sagt Ihnen das etwas, Lieutenant?«
»Ihm bedeutet es sicher etwas.« Joe schloss kurz die Augen und versuchte sich an die Worte auf einer der Stickereien zu erinnern. »Es hat etwas damit zu tun, wie Drachen geboren werden. Ein wahrlich verrückter Mythos über die Mischung von Metall mit Fleisch und Blut, wodurch Monster entstehen.«
»Wissen Sie«, fragte Morrissey Hagen, »ob Schwartz ein Opern-Fan ist?«
»Er ist Wagner-Fan wie Sie, Sir«, erwiderte Joe, der Hagen ansah. »Seine Wohnung ist mit Schallplatten und Kassetten voll gestopft, und er hat eine Wagner-CD. Anfangs dachte ich, Schwartz würde versuchen, Ihrem Lebensstil nachzueifern. Ich hielt es für ein Zeichen der Bewunderung oder eine Art Heldenverehrung.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Fassen wir also mal zusammen«, sagte Hagen langsam. »Wir wissen bereits, dass Schwartz den Schrittmacher seiner Mutter dafür verantwortlich macht, ihr Leben nicht gerettet zu haben ... Ich gründete das Unternehmen Mitte der Siebziger, viele Jahre nach ihrem Tod. Wenn Schwartz jedoch schon auf den Siegfried- und Hagen-Mythos fixiert war, kam die Gelegenheit, einem Unternehmen wie Hagen-Schrittmacher die Schuld in die Schuhe zu schieben, sicher wie gerufen. Eigentlich unfassbar ... Seine Motivation ist
vielleicht so zu erklären, nicht währ? Ich wüsste jedoch nicht, wie uns das helfen sollte, noch irgendetwas aus ihm herauszukriegen.«
»Ich schon«, sagte Joe.
»Wie denn?«, fragte Hagen.
Joe antwortete nicht, sondern schaute Morrissey an.
Hagen verstand die Botschaft. »Sie möchten, dass ich gehe?«
»Wenn Sie nichts dagegen haben«, erwiderte Joe. »Ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe danken.«
»Ich habe doch gar nichts getan.«
»Sie haben mehr getan, als Sie ahnen, Mr. Hagen.«
Als sich die Tür hinter Hagen schloss, schaute Morrissey Joe an.
»Und was haben Sie nun vor, Lieutenant?«
»Wo ist Mr. Ferguson?«
»Er ist irgendwo in der Klinik. Warum?«
Ein Adrenalinschub verlieh Joe neue Kräfte. Jetzt war er wieder hellwach. »Schwartz steht kurz vor dem Zusammenbruch, nicht wahr? Er vermischt seine Mythen und bringt Fantasie und Wirklichkeit durcheinander. Das müssen wir ausnutzen, ob es moralisch ist oder nicht. Ohne Schwartz’ Geständnis sind diese Dokumente wertlos. Wenn ich keine Möglichkeit finden kann, ihm das Geständnis zu entreißen, wird er ungestraft davonkommen, und all diesen anderen Patienten dort draußen wird es nicht besser ergehen als zu Beginn der Ermittlungen.«
»Ich frage Sie noch einmal, was sie
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