... und dann bist du tot
und war nach Chicago gezogen, damit sie heiraten konnten. Eigentlich war in seinem Leben als Erwachsener bis zum Tod seiner Eltern nichts wirklich schief gelaufen. Unglücklicherweise hatte Jess im letzten Jahr eine Fehlgeburt erlitten, und das hatte ihn zutiefst betrübt. Wenn er jetzt mit etwas Abstand auf die Tragödien zurückschaute, war er seltsamerweise fast dankbar, weil er dadurch die Vergänglichkeit und den Wert der Liebe, der Familie und der Dinge, die wirklich von Bedeutung waren, erst richtig begriffen hatte. Ehrgeiz, harte Arbeit und Leistung hatten ihren berechtigten Platz, aber das war bei weitem nicht alles, was wirklich zählte.
Es war hart, manchmal fast unmöglich, als Bulle ein guter Ehemann und Vater zu sein, aber Joe war glücklicher als die meisten. Obwohl er wusste, dass Jess ebenso ängstlich war wie die meisten Polizistenfrauen, machte sie ihm niemals das Leben schwer wegen der gefährlichen Situationen, in die er verwickelt war, und nörgelte selten wegen der vielen Stunden, die er arbeitete.
»Ich wusste das, als ich dich geheiratet habe«, sagte sie einfach.
»Verabscheust du es denn nicht?«
»Wie könnte ich, wenn es dir so viel bedeutet?«
Er war in vielerlei Hinsicht ein glücklicher Mann. Kurz nach seiner Beförderung zum Sergeant konnte er beim FBI an einem zehnmonatigen Fortbildungsprogramm teilnehmen. Im NCAVC, dem Nationalen Zentrum für die Analyse von Gewaltverbrechen, wurde er in der Täterprofilanalyse ausgebildet. Unmittelbar nach Joes neu erworbenen Kenntnissen über Täterprofile kam sein erster größerer Fall.
Der Brandstifter hielt Chicago nahezu vier Monate lang in Atem, und in Briefen, die er zuerst an die Chicago Tribune und, als die Ermittlungen anliefen, an Joe Duval persönlich sandte, bezeichnete er sich selbst als die Teuflische Fackel. Es war ihm lieber, Menschen zu verbrennen als Besitz. Und das Wissen, dass sie lebendig und bei vollem Bewusstsein verbrannten, hatte ihm besonders gut gefallen. Die Tatsache, dass er keines seiner Opfer kannte, schien seine Befriedigung eher zu steigern als zu schmälern. Effektive Teamarbeit, routinierte Ermittlungen, die beim FBI erworbenen Kenntnisse über Täterprofile und viel Glück hatten zur Verhaftung der Teuflischen Fackel geführt. Zu dem Zeitpunkt hatte der Killer aber bereits ein neues Feuer gelegt und geprahlt, dass es mindestens hundert Opfer verbrennen würde. Joe hatte ihn auf jede ihm bekannte Art verhört und nicht immer nur die üblichen Methoden angewandt. Das Feuer in einem Kinderkrankenhaus konnte rechtzeitig gelöscht werden. Drei Monate später war er zum Lieutenant befördert worden.
Knapp eine Stunde, nachdem Joe und Lipman bei Hagen-Schrittmacher angekommen waren, standen sie wieder einer neuen Situation gegenüber. Cynthia Alesso bat Joe, in Hagens Büro zu kommen, um einen Anruf vom Commander entgegenzunehmen.
Jackson war kurz angebunden und kam sofort zur Sache. »Die Rechtsmedizin hat Spuren von Plastiksprengstoff in Mrs. Fergusons Leiche gefunden.«
»Ich dachte, dass sei ausgeschlossen worden«, erwiderte Joe, der seine Worte mit Bedacht wählte, da Hagen am Schreibtisch saß.
»Tja, das dachte ich auch, Lieutenant. Ist Hagen bei Ihnen?«
»Ja.«
»Er weiß es schon.«
Joe schaute Hagen an. Er sah mitgenommen aus.
»Sollen wir die Sache hier abbrechen, Commander?«
»Es wäre Zeitverschwendung«, antwortete Jackson grimmig. »Ich habe mit Boston gesprochen und Chief Hankin, das FBI und FDA informiert. In Anbetracht unserer Zuständigkeit können wir unser eigenes Team zusammenstellen und das Dezernat Bomben und Brandstiftung hinzuziehen. Das FBI wird uns Zugang zu seinen Computern und Transportmitteln gewähren und uns in jeder Weise unterstützen.«
»Wer wird die Sondereinheit leiten?«, fragte Joe.
»Sie.«
Joe sagte nichts. Er spürte vor Erregung einen kleinen Stich im Herzen, dem eine Woge von Schuldgefühlen folgte. So war es oft, wenn er in einem Mordfall ermittelte. Natürlich hatte er die richtige Motivation, aber dann spürte er diese widerlichen Gewissensbisse, die ihn daran erinnerten, dass ein gut gemachter Job seiner Karriere förderlich war und dass er all den armen verbrannten Menschen seine Beförderung zu verdanken hatte.
»Sie haben die Teuflische Fackel verhaftet.« Jackson konnte Gedanken lesen. »Und noch wichtiger ist, dass Sie an dem Seminar für Täterprofilanalysen teilgenommen haben. Das FBI steht also in diesem Fall hinter uns - im Moment
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