Und dann der Himmel
fürchterlich weh. Es fühlt sich an wie die Zerstörung des Paradieses. Man merkt, dass man in einem Traum gelebt hat, in einer Art ökologischer Nische, und die Chemieabfälle, die dieses Gefühlsbiotop vernichten, sind ausgerechnet von dem Menschen abgeladen worden, den man für den größten Naturschützer gehalten hat. Ein solch verseuchtes Gebiet zu renaturieren kostet viel Kraft, einiges an Selbstverleugnung, und man muss – um im Bilde zu bleiben – überzeugt sein, dass sich ein Umweltverschmutzer zu einem Greenpeace-Aktivisten wandeln kann. Bei Finn habe ich nicht daran geglaubt. Was meine Schwester über ihren Mann denkt, weiß ich nicht.
Während wir uns den Schafen nähern, ist Sabine sichtlich darum bemüht, die Fassung zu bewahren, und in einem Anfall von geschwisterlicher Zuneigung nehme ich sie schließlich in den Arm. Zuerst wehrt sie sich und macht ihren Körper ganz steif, aber dann spüre ich, wie sie in sich zusammensackt und sich an mich klammert.
„Ist schon gut“, murmele ich und streichele ihr über die Haare, „ist schon gut.“
Sabines Schultern zucken und sie presst ihr Gesicht an meine Brust. „Er ist ein solches Arschloch!“ sagt sie dumpf. „Was tue ich denn jetzt?“
Auf diese Frage kann ich ihr keine Antwort geben, diese Entscheidung muss sie ganz allein treffen.
Während sich meine große, erfolgsverwöhnte Schwester in meine Umarmung drückt, denke ich darüber nach, wie einfach das Problem für mich zu lösen wäre. Wenn ein Mann meinen Erwartungen nicht entspricht, serviere ich ihn ab. So wie ich es mit Finn getan habe. Das ist zwar schmerzlich, aber es ist ein glatter Schnitt. Man kann von vorne anfangen, man kann die Vergangenheit vergessen und hoffen, dass man vielleicht mit dem nächsten Kerl einen Treffer landet. Aber in Sabines Fall ist das anders, sie muss einen ganzen Rattenschwanz von ungelösten Fragen bedenken. Wenn sie ihrem Mann verzeiht und bei ihm bleibt, wird sie jeden Tag daran erinnert, was er ihr angetan hat. Ich persönlich könnte das nicht. Vergeben und vergessen liegt mir nicht. Doch selbst wenn Sabine sich von Klaus trennt, wird sie ihn niemals aus ihrem Leben verbannen können, denn neben dem gemeinsamen Haus und Grundstück haben sie auch noch die Kinder, deren Vater Klaus immer bleiben wird.
Meine Gedanken werden unterbrochen von aufgeregtem Kläffen und unruhigem, schafsähnlichem Blöken. Während ich Sabine getröstet habe, hat sich Adolf aufgemacht, um die merkwürdigen, fellbesetzten Tiere zu inspizieren.
„Schau mal“, sage ich belustigt zu meiner Schwester, „mein Hund freundet sich mit deinen Heidschnucken an!“
Aber was ich als drolliges Kennenlernen ansehe, scheint eine völlige Fehlinterpretation der Ereignisse zu sein, denn Sabine macht einen besorgten Gesichtsausdruck. „Heidschnucken sind sehr nervöse Tiere“, sagt sie. „Sie sind nicht gerade intelligent. Er sollte da nicht so herumspringen.“
„Wieso? Dann passen sie doch prima zusammen“, sage ich arglos und beobachte amüsiert, wie Adolf einen Steinwurf entfernt aufgeregt um zwei Dutzend graubraune Schafe mit einem dicken Wollfell herumspringt und sich heiser bellt. Doch so dumm, wie ich meinen Hund einschätze, ist er wohl gar nicht, denn langsam scheint er sich längst verschütteter Triebe und Instinkte zu erinnern und umrundet die kleine Herde in immer enger werdenden Kreisen. Einzig in unsere Richtung lässt er ihnen einen Ausweg frei.
„Was tut er denn da?“ frage ich, noch immer nicht verstehend. „Ist das ein Spiel?“
Meine Schwester gönnt mir einen vernichtenden Blick. „Er treibt die Herde in unsere Richtung.“
„Er treibt …? Ist das schlimm?“
„Nicht, wenn du gerne in die Erde getrampelt werden möchtest! Adolf, lass das!“ schreit sie dann und eilt den Heidschnucken mit wütenden Schritten entgegen.
Aber es ist zu spät. Die Heidschnucken werden immer unruhiger und ihr Blöken bekommt einen panischen Unterton. Auf immer enger werdendem Raum lassen sie sich von Adolf zusammenpferchen, reiben ihre Körper und Hörner aneinander, blöken aufgeregt und stampfen nervös mit den Hufen. Die Angst der einzelnen Tiere wird von der Herde verstärkt. Schließlich bricht die erste Schnucke aus dem Kreis aus und rast mit einer Geschwindigkeit, die ich kaum für möglich gehalten hätte, in die einzige Richtung, die die Dogge offen gelassen hat: in unsere. Die anderen Schnucken folgen dem Leittier.
„Scheiße!“ flucht Sabine.
„Äh
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