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Und dann der Himmel

Und dann der Himmel

Titel: Und dann der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Verlierer. Der einzige Lichtblick ist der zweite Platz in einer Schönheitskonkurrenz, den ich kurz vor dem Bankrott gewinne, aber auch das bessert meine Laune nicht.
    Aber auch in der Küche scheint es Streit zu geben. Die Stimmen meiner Eltern dringen über die Treppe zu uns nach oben, und als Simon mir mit kindlichem Triumphgeheul die letzten Kröten für meinen Wurf auf seine Goethestraße abnimmt und ich auch die eigenen Straßen abgeben muss, um meine Schulden zu bezahlen, steige ich aus dem Spiel aus, laufe auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und finde mich erneut lauschend vor einer Küchentür wieder. Während ich mich an das Telefontischchen im Flur lehne, beschäftigt mich die Frage, warum in unserer Familie Streitigkeiten eigentlich so gerne bei der Zubereitung einer Mahlzeit ausgetragen werden. Wenn ich mich mit Anja, Lars oder Patrick in die Haare kriege, passiert das meist in der Küche, Sabine hat sich von ihrem Mann während des Frühstücks getrennt und meine Eltern zanken während der Vorbereitung des Abendbrots. Setzt das Benutzen von Messern oder Gabeln bei uns unbewusste, aggressive Schwingungen frei? Macht Wurst wütend? Kann der Anblick eines dampfenden Zucchini-Auflaufs jemandem so die Sinne benebeln, dass er endlich sagt, was er wirklich über den anderen denkt? Ich bin mir sicher, dass dieses Phänomen weit verbreitet und nicht nur auf meine Familie beschränkt ist. Jemand sollte sich mal wissenschaftlich damit beschäftigen.
    Meine Eltern jedenfalls befinden sich in einer ihrer Auseinandersetzungen, die sich – ausgelöst durch Kleinigkeiten – in Minutenschnelle wie ein Buschfeuer in der australischen Steppe zu einer ihrer allumfassenden Grundsatzdiskussionen und einer kompletten Ehekrise auswachsen, an denen sie beide anscheinend so viel Spaß haben. Zuerst wirft mein Vater meiner Mutter ihren unangebrachten Lachanfall auf dem Postamt vor, im Gegensatz zu mir sei sie schließlich alt genug, um zu wissen, wie man sich zu benehmen habe – was in mir nebenbei die Frage aufwirft, für wie alt mich mein Vater eigentlich hält. Wirke ich auf ihn tatsächlich wie ein zehnjähriger Rotzlöffel? Natürlich hat meine Mutter genauso wie ich keine Entschuldigung für ihr Verhalten parat – wir wissen beide, dass es nicht nett war zu lachen –, aber sie wäre nicht meine Mutter, wenn sie diesen Vorwurf einfach so auf sich sitzen lassen würde. Stattdessen fährt sie direkt die schweren Geschütze auf.
    „Ach, hör doch auf!“ blafft sie meinen Vater an und ich kann sie trotz der geschlossenen Tür vor mir sehen, wie sie mit einem lauten Scheppern die Teetassen auf den Tisch setzt und sich mit einer entrüsteten Handbewegung eine ihrer grau gewordenen Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. „Ich habe es satt, mir von dir Vorhaltungen machen zu lassen, wie ich mich in dieser spießigen, abgelegenen Einöde benehmen soll.“
    „Und ich habe es satt, von unseren Nachbarn mitleidig angesehen zu werden, weil meine Frau mal wieder aus der Reihe tanzt und sich lächerlich macht wie vorhin oder wenn du im Konsum auf Fair-Trade -Kaffee bestehst, obwohl du genau weißt, dass es dort nur den von Tchibo gibt, oder dass du neuerdings zur Vegetarierin mutierst“, schießt mein Vater zurück.
    „Ich habe eben keine Lust, mich so wie du der Stromlinienförmigkeit zu ergeben. Schau dich doch an: Du bist ein feister, fetter Franke geworden, der nichts lieber hat als seine Ruhe und einen Schoppen Wein vor seiner Nase. Ich dagegen bin stolz auf meine Ecken und Kanten und ich werde sie mir nicht wegnehmen lassen!“
    „Ecken und Kanten!“ höhnt mein Vater. „So kann man es auch nennen! Du weigerst dich einfach, erwachsen zu werden! Du würdest doch am liebsten auf ewig die kleine Revoluzzerin bleiben, aber weil dir dazu der Mut fehlt, stürzt du dich von einem so genannten alternativen Projekt ins nächste. Dein Tick mit dem vegetarischen Essen ist nur das letzte Glied in einer ganzen Kette von gescheiterten Versuchen, dich selbst zu finden!“ Seine Stimme überschlägt sich. Wie immer, wenn er wirklich verärgert ist, klingt er wie ein pubertierender Junge im Stimmbruch.
    „Ich habe mir eben meine Ideale bewahrt, du dagegen wirst immer mehr zum Mitläufer! ‚Der Obrigkeit gehorchen, ist die erste Pflicht für Jud und Christ!‘“ zitiert sie sarkastisch und ich weiß genau, dass sie damit meinen Vater zur Weißglut treibt.
    „Ach“, sagt er dann auch mit beißendem Spott, „es ist also

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