Und dann der Tod
Wenn Sie Ihre Klappe halten und mich nachdenken lassen, werde ich auf Ihre Fragen antworten, sobald wir angekommen sind.«
»Wo?«
»Tenajo.«
Schockiert starrte sie ihn an. »Wir fahren nach Tenajo?
Warum?«
»Wenn wir da sind.«
»Jetzt.«
»Mein Gott, sind Sie stur.« Er warf ihr einen schnellen Blick zu. »Ich war der Meinung, daß Sie dahin wollen. Das letzte Mal, daß Sie Ihre Schwester gesehen haben, war in Tenajo.«
»Sie kann da nicht mehr sein.«
»Dann hat sie vielleicht eine Nachricht für Sie hinterlassen.
Oder haben Sie eine bessere Idee, wo Sie mit der Suche anfangen wollen?«
»Ich könnte bei Ihnen anfangen. Was wissen Sie über Emily?«
»Wenn Sie nicht den Mund halten, werde ich Sie knebeln, bis wir in Tenajo sind.«
Das klang nicht nach einer leeren Drohung. Er meinte, was er sagte. »Wie weit ist es bis Tenajo?«
»Drei Stunden.«
Sie machte es sich langsam auf ihrem Sitz bequem und drückte Josies kleinen, warmen Körper an sich. Drei Stunden noch, und sie würde wieder in Tenajo sein. Das Wissen darum schwebte über ihr wie eine dunkle Wolke. Halt durch. Es wird alles gut.
Fang nicht an zu zittern. Ob die Hunde aufgehört hatten zu heulen?
Sie erreichten den Berg, von dem man nach Tenajo hinunterblicken konnte. Dieselbe Stelle, an der Rico an jenem ersten Tag gehalten hatte.
Keine Lichter.
Keine Bewegung.
Kein Geräusch.
»Was ist mit den Hunden passiert?«
»Eine Arbeitsgruppe der Gesundheitsbehörde hat hier gestern aufgeräumt. Sie haben alle Haustiere eingesammelt und sie unter Beobachtung gestellt, um sicherzugehen, daß sie keine Erreger ausscheiden. Sobald die Verwandten benachrichtigt worden sind, haben sie die Möglichkeit, die Tiere zu sich zu nehmen.«
Er lächelte zynisch. »Das ist eine dieser menschlichen Gesten, die Politikern so gut stehen.«
»Die Verwandten sind noch nicht benachrichtigt?«
Kaldak zuckte mit den Schultern. »Ein ganzes Dorf, das ausgelöscht wird, ist keine Kleinigkeit. Die Regierung will Fakten, bevor sie sich den Medien stellt.«
»Sie wollen es vertuschen.«
»Wahrscheinlich.«
»Was vertuschen sie denn? Einen nuklearen Störfall?«
»Nein.«
»Es war keine Cholera.«
»Nein, aber das wird im Bericht des CDC, des Zentrums für Seuchenbekämpfung, stehen.«
»Wie konnten –« Sie erinnerte sich an den Mann, der etwas in den Brunnen geschüttet hatte. »Sie haben das Trinkwasser selbst verseucht.«
Er nickte.
»Wenn es kein radioaktiver Störfall war, was war es denn, was in Tenajo passiert ist?«
»Wollen Sie nicht nach Ihrer Schwester suchen?«
Er hatte wieder das wichtigere Thema angesprochen, das sie mit Sicherheit ablenken würde. Je länger sie mit ihm zusammen war, desto mehr wurde ihr seine Intelligenz hinter diesem angsteinflößenden Gesicht bewußt. »Warum sind Sie nach Tenajo zurückgekehrt?«
»Wo soll ich Sie rauslassen?«
»Am dritten Haus rechts.« Da, wo Emily Josie gefunden hatte.
Das kleine Mädchen, das das Schicksal besiegt hatte. Bess drückte das Baby fester an sich. »Hat es noch mehr Überlebende gegeben?«
Kaldak schüttelte den Kopf. »Nur Sie.«
»Ich meine andere Dorfbewohner außer Josie.«
»Nicht daß ich wüßte.« Er hielt den Jeep an. »Wenn Sie Ihre Suche beendet haben, kommen Sie zum Dorfplatz. Da lade ich Sie wieder ein.«
Sie stieg aus. »Haben Sie keine Angst, daß ich weglaufe?«
»Es lohnt sich nicht. Ich würde Sie finden.«
Die absolute Sicherheit in seiner Stimme ging ihr auf die Nerven. »Warum sind Sie hier? Was suchen Sie?«
»Geld.«
Sie starrte ihn voller Verwirrung an. »Geld?«
»Wenn Sie welches finden, rühren Sie es nicht an. Es gehört mir.«
Kapitel 5
Emily war nicht in dem Haus.
Aber es gab Anzeichen, daß sie dort gewesen war. Der riesige Kessel mit Wasser für die Sterilisierung stand auf dem Herd, und ihre lederne Arzttasche lag auf dem Tisch.
Emily nahm ihre Arzttasche überall mit hin. Warum hatte sie sie hiergelassen? Vielleicht hatte sie sich nicht mit der schweren Tasche belasten wollen. Vielleicht hatte sie sich lediglich einige Notfallinstrumente in die Jackentaschen gestopft.
Bess setzte Josie vorsichtig auf der Couch ab, ging hinüber zum Tisch und öffnete die Tasche. Alles war ordentlich, und nichts schien zu fehlen.
Aber Emily war immer ordentlich, und Bess wußte auch nicht genau, was in diese Tasche gehörte.
Sie ging durch das Zimmer zum Kinderbett. Es schien ebenfalls unberührt zu sein. Das Moskitonetz lag genauso da, wie Bess
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