Und dann der Tod
wischte die Fotos auf den Fußboden. »Tun Sie gefälligst, was ich Ihnen sage.«
Sein Ausbruch überraschte und schockierte sie. Sie hatte ihn früher schon gewalttätig erlebt, aber die Gewalttätigkeit war kühl und kontrolliert gewesen. Diesmal war er alles andere als kühl. Der Mann vor ihr war völlig anders als der Kaldak, den sie kennengelernt hatte. »Was stimmt nicht, Kaldak?«
»Fragen Sie lieber, was stimmt. Esteban versucht, Sie an die Ratten zu verfüttern; der Schlag kann jeden Moment losgehen; Ramsey ist nicht in der Lage, Morrisey oder Esteban zu finden, und De Salmo ist irgendwo da draußen und wartet nur darauf, daß ich eine falsche Bewegung mache, um Sie umlegen zu können.«
»Vielleicht ist er ja nicht einmal hier. Vielleicht hat sich der Informant getäuscht.«
»Er ist hier.« Er deutete mit einer knappen Kopfbewegung auf die Fotos auf dem Fußboden. »Ich kann den Scheißkerl nur leider nicht identifizieren.«
»Sie haben ihn ja auch nur einmal aus der Entfernung gesehen.«
»Irgend etwas müßte es doch geben … irgendeine Möglichkeit.«
Sie kniete sich hin, um die Fotos einzusammeln. Aber er war sofort neben ihr. »Das war ich. Ich hebe sie auf.«
»Ist das schon wieder eine der Regeln Ihrer Mutter?«
»Das ist meine Regel. Wenn man irgend etwas kaputtmacht, repariert man es auch wieder.« Er legte die Fotos auf den Couchtisch. »Man versucht es zumindest. Manchmal kann man einen Scherbenhaufen aber nicht wieder zusammensetzen.«
»Nun war das ja kein irreparabler Scherbenhaufen.«
Er wollte ihr nicht in die Augen sehen. »Es tut mir leid.«
Bevor sie antworten konnte, war er schon in der Küche verschwunden.
Kapitel 14
Bess hatte Kaldak noch nie so erlebt. Es gelang ihm kaum, sich ruhig zu halten. Sie konnte beinahe spüren, wie der Raum sich mit seiner nervösen Energie auflud.
Den ganzen Abend über versuchte sie, sich in ihr Buch zu vertiefen, aber sie war sich kaum dessen bewußt, was sie las.
Schließlich gab sie es auf und legte den Roman beiseite.
»Anne Rice fesselt mich heute abend nicht. Ich glaube, ich werde ins Bett gehen.«
Er warf einen Blick auf das Buch. »Sie schreibt über Vampire, nicht wahr?«
»Ja, und über New Orleans. Ich verehre sie sehr.«
Er lächelte schief. »Ich kann gut verstehen, daß Sie im Moment keine Lust auf Vampire haben. Wenn man auch noch mit einem zusammenleben muß, kann man es leicht überbekommen.«
»Sie nehmen mir vielleicht Blut ab, aber für einen Vampir sind Sie zu wissenschaftlich«, erwiderte sie gutgelaunt.
»Ach, wirklich?«
Sie wandte verlegen den Blick ab. »Das wüßten Sie, wenn Sie jemals Anne Rice gelesen hätten. Lestat ist absolut nicht wissenschaftlich. Er ist ein sehr vielseitiger Vampir mit –«
Das Telefon klingelte. Automatisch wurde sie stocksteif. Sie nahm den Hörer ab. »Hallo.«
»Kaldak. Ich muß mit Kaldak reden.«
Es war nicht Esteban. Sie versuchte, ihre Erleichterung mit einem Achselzucken zu verbergen, als sie Kaldak den Hörer reichte. »Ich erinnere mich noch schwach an die Zeit, als ich noch normale Anrufe bekam. Ich glaube, es ist Ed Katz. Wenn man von Vampiren spricht …«
Sie stand auf und trat ans Fenster. Das Schattenungeheuer wirkte heute abend kleiner. Sie fragte sich, wie es wohl aussah, wenn die Straßenlaternen morgens früh abgeschaltet wurden.
Vielleicht sollte sie ihren Wecker stellen und es sich ansehen.
»Ich muß Ihnen Blut abnehmen.«
Sie wandte sich um, als Kaldak gerade den Hörer auflegte.
»Warum? Sie haben doch erst heute morgen eine Probe weggeschickt.«
»Je näher er dem Durchbruch kommt, desto gieriger wird er.«
»Und wie nah ist er dran?«
»Schwer zu sagen. Bei der Entwicklung von Antikörpern macht man gewöhnlich einen Schritt vor und zwei zurück.«
»Er klang ganz aufgeregt.«
»Na ja, er glaubt, daß er womöglich beim letzten Test eineinhalb Schritte vorangekommen ist.« Er zögerte. »Sie müssen es nicht machen. Ich kann bis morgen früh warten.«
Sie machte eine wegwerfende Geste. »Ist schon gut.« Sie setzte sich an den Eßzimmertisch und krempelte den Ärmel hoch. »Es spielt keine Rolle.«
»Es spielt eine Rolle.« Er nahm das Spritzenbesteck aus der Schreibtischschublade. »Glauben Sie, ich würde Ihnen das alles zumuten, wenn es nicht für eine Menge Leute eine Rolle spielen würde?«
»Ich wollte nicht sagen –« Sie gab es auf. »Nehmen Sie mir einfach das Blut ab und lassen mich dann ins Bett gehen, Kaldak.«
»Genau
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