Und dann gabs keines mehr
kleine Figuren aus Porzellan.
«Kleine Neger», sagte Tony. «Nigger Island. Deshalb sind sie wohl hier.»
Vera beugte sich nach vorn.
«Wie viele sind es denn? Zehn? – Wie lustig!», fuhr sie fort. «Das sind bestimmt die zehn kleinen Negerlein aus dem Kinderreim. In meinem Zimmer hängt das Gedicht eingerahmt über dem Kamin.»
«In meinem Zimmer ebenfalls», sagte Lombard.
«Und in meinem.»
«In meinem auch.»
Jeder stimmte in den Chor ein.
«Das ist wirklich eine amüsante Idee», sagte Vera. «Nicht wahr?»
Richter Wargrave brummte: «Erstaunlich kindisch», und bediente sich mit Port.
Emily Brent schaute zu Vera Claythorne. Vera Claythorne schaute zu Emily Brent. Die beiden Frauen erhoben sich.
Im Salon waren die Flügeltüren zur Terrasse geöffnet, und das Rauschen des Meeres, das gegen die Felsen schlug, klang bis zu ihnen hoch.
«Ein angenehmes Geräusch», bemerkte Emily Brent.
«Ich hasse es», erwiderte Vera scharf.
Miss Brents Augen sahen sie überrascht an. Vera errötete. Etwas ruhiger fuhr sie fort:
«Bei Sturm ist es hier bestimmt nicht sehr angenehm.»
Emily Brent stimmte ihr zu.
«Ich bin sicher, dass das Haus im Winter geschlossen bleibt», sagte sie. «Schon allein, weil man niemals Personal bekäme, das hier bliebe.»
«Es muss überhaupt schwierig sein, Personal zu finden», murmelte Vera.
«Mrs. Oliver hatte Glück, diese beiden zu finden», stellte Emily Brent fest. «Die Frau ist eine gute Köchin.»
Vera dachte: «Eigenartig, dass ältere Leute immer die Namen verdrehen.»
Laut sagte sie: «Ja, ich glaube, dass Mrs. Owen wirklich Glück gehabt hat.»
Emily Brent hatte eine Stickerei aus ihrer Tasche gezogen. Jetzt, als sie den Faden in die Nadel führte, hielt sie inne.
«Owen? Haben Sie Owen gesagt?»
«Ja.»
«Mein ganzes Leben lang habe ich noch niemanden getroffen, der Owen hieß», sagte Emily Brent in scharfem Ton.
Vera starrte sie an.
«Aber sicherlich…»
Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Die Tür öffnete sich, und die Männer stießen zu ihnen. Mit einem Kaffeetablett folgte Rogers ihnen ins Zimmer.
Der Richter kam und setzte sich neben Emily Brent. Armstrong gesellte sich zu Vera. Tony Marston schlenderte zum offenen Fenster. Blore betrachtete mit kindlichem Staunen eine Bronzestatue – vielleicht fragte er sich, ob deren bizarre Ecken eine weibliche Figur darstellen sollten. General MacArthur stand mit dem Rücken zum Kamin. Er zupfte an seinem kleinen weißen Schnurrbart. Es war ein verdammt gutes Abendessen gewesen. Seine Laune stieg. Lombard blätterte durch die Seiten des Punch, der zusammen mit anderen Zeitungen auf einem Tisch an der Wand lag.
Rogers machte mit seinem Kaffeetablett die Runde. Der Kaffee war gut – wirklich schwarz und sehr heiß.
Die ganze Gruppe hatte gut gegessen. Sie waren mit sich und dem Leben zufrieden. Die Zeiger der Uhr standen auf zwanzig Minuten nach neun. Es war still – eine angenehme, entspannte Stille.
In diese Stille hinein ertönte die Stimme. Ohne Warnung, unmenschlich, durchdringend…
«Ladys und Gentlemen! Ruhe bitte!»
Jeder schreckte hoch… schaute um sich, sah die anderen an, blickte auf die Wände. Wer sprach da?
Die Stimme fuhr fort – hoch und klar:
«Sie sind der folgenden Verbrechen angeklagt:
Edward George Armstrong, Sie haben am 14. März 1925 den Tod von Louisa Mary Clees verursacht.
Emily Caroline Brent, Sie waren am 5. November 1931 verantwortlich für den Tod von Beatrice Taylor.
William Henry Blore, Sie haben am 10. Oktober 1928 den Tod von James Stephen Landor verursacht.
Vera Elizabeth Claythorne, Sie töteten am 11. August 1935 Cyril Ogilvie Hamilton.
Philip Lombard, Sie waren an einem Tag im Februar 1932 schuldig am Tod von einundzwanzig Männern, Mitgliedern eines ostafrikanischen Stammes.
John Gordon MacArthur, Sie schickten am 14. Januar 1917 absichtlich Arthur Richmond, den Geliebten Ihrer Frau, in den Tod.
Anthony James Marston, Sie begingen am 14. November letzten Jahres den Mord an John und Lucy Combes.
Thomas Rogers und Ethel Rogers, Sie verursachten am 6.Mai 1929 den Tod von Jennifer Brady.
Lawrence John Wargrave, Sie waren am 10. Juni 1930 schuldig des Mordes an Edward Seton.
Angeklagte vor dem Gericht, haben Sie irgendetwas zu Ihrer Verteidigung vorzubringen?»
II
Die Stimme schwieg.
Einen Augenblick lang herrschte bleierne Stille, dann ertönte ein lautes Krachen! Rogers hatte das Kaffeetablett fallen gelassen!
Im gleichen Moment hörte
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