Und dann kam Paulette (German Edition)
gesucht. Er kümmert sich um die Instandhaltung des Dingo fence : eines Schutzzauns gegen Dingos. Es ist der längste Zaun der Welt, er ist über fünftausenddreihundert Kilometer lang und dient dazu, wilde Hunde (ebenjene Dingos) von Schafherden fernzuhalten. Aber er ist wohl nicht sehr wirkungsvoll. Das jedenfalls behauptet Lionel, und er muss es wissen, so lange, wie er schon mit den Reparaturarbeiten beschäftigt ist.
Um Guys Möbel zu holen, hängten sie den Anhänger an den Traktor und nahmen eine Plane mit, falls es regnen würde. Guy saß am Steuer, und Ferdinand nahm neben ihm auf dem Schutzblech Platz. Das Motorengeräusch, die kalten Metallsitze, das Ruckeln und Rumpeln über die Straße und der Dieselgeruch versetzten sie um Jahre zurück. Während der ganzen Fahrt wechselten sie kein Wort, konzentrierten sich nur darauf, die Erinnerungen zu genießen.
Der Umzug dauerte nicht lange. Guy wollte wirklich nur den Zitronenbaum und etwas Werkzeug aus seiner Autowerkstatt holen. Auf Ferdinands Drängen hin nahm er jedoch das Bett, einen Nachttisch, Gabys Frisiertisch und eine Kommode mit, in der er seine Sachen verstauen konnte. Den Rest ließ er zurück.
Sobald sie auf den großen Platz kamen, stellte er den Motor ab und lud Ferdinand auf ein Gläschen ein. Nachdem im Restaurant die Türglocke bimmelte, steckte Roland den Kopf durch die Küchentür. Er staunte nicht schlecht, als er sie sah. Dann rief er nach oben:
«Isabelle! Komm schnell runter, Onkel Guy und Pa… mein Vater sind da!»
Isabelle kam rasch nach unten.
Sie setzten sich zu viert an einen Tisch und tranken ein Glas Weißwein. Isabelle war glücklich. Ihr fiel sofort auf, wie gut Guy aussah. Er hatte wieder einiges mehr auf den Rippen, ganz offensichtlich taten ihm das Leben zu dritt und die frische Landluft gut. Roland wurde in dem Moment klar, dass kein Mensch auf den Gedanken gekommen war, ihn über die Veränderungen in Kenntnis zu setzen. Beleidigt stand er auf, versuchte, den Schmerz, der sich links oben in seinem Brustkorb festgesetzt hatte, auszublenden – Lubin hatte behauptet, er sei psychosomatisch, kein Grund zur Beunruhigung –, schützte die Arbeit in der Küche vor und ließ die drei allein. Das traf sich gut. Guy wollte mit Isabelle sprechen, und da gleich Schulschluss war, schlug Ferdinand vor, dass er die Kinder abholen könnte. Sie war einverstanden. Eine Premiere. Er düste los.
In der Zwischenzeit erklärte Guy Isabelle, dass er ihr sein Haus vermachen wolle.
Er verband nicht viele Erinnerungen damit, denn die wahren, die bedeutenden Erinnerungen, auch die an Isabelle zwischen ihrem vierten und achtzehnten Lebensjahr, waren auf dem Bauernhof zurückgeblieben. Es war jetzt zehn Jahre her, seit sie dort ausgezogen waren. Folglich hing er nicht sehr an diesem Haus, sie konnte damit machen, was sie wollte, es verkaufen oder auch vermieten, wenn ihr danach war. Aber Isabelle fand die Idee überhaupt nicht gut. Sie schimpfte sogar ein wenig mit ihm. Sie war der Meinung, dass er die Sache überstürzte, er sollte es sich gründlich überlegen, bevor er allen Ballast abwarf. Und vor allem sollte er sich Zeit lassen, das Zusammenleben testen. Gerade mal zehn Tage, das war zu kurz, um eventuelle Probleme mit Ferdinand und Marceline abschätzen zu können. Sie könnten ihm irgendwann auf den Geist gehen, und was würde er dann machen, wenn er nirgendwo mehr hingehen könnte? Er sollte jetzt mal ein bisschen vernünftig sein. Sie hätte manchmal auch große Lust, alles hinzuwerfen. Seit neun Jahren war sie mit Roland verheiratet. Aber sie wollte nicht einfach leichtfertig agieren und sich hinterher Vorwürfe machen. Ob man sich von seinem Mann oder von seinen Freunden trennen wollte, war letztlich fast das Gleiche. Es kam vor, und in beiden Fällen riskierte man, nicht mehr weiterzuwissen. Man sollte gründlich nachdenken, bevor man eine solche Entscheidung traf.
Guy schwieg lange.
Dann hielt er ihr den Haustürschlüssel hin. Sie zögerte, und er legte ihn auf den Tisch. Er war sich sicher, dass er ihr das Haus überlassen wollte. Es war nicht viel wert, aber er wollte es ihr schenken, niemandem sonst, das wäre auch Gabys Wunsch gewesen. Es war ihr gemeinsames Projekt. Das alles brachte er wortlos zum Ausdruck. Isabelle begriff und nickte. Erst dann erzählte er ihr, was in seinem Kopf vorging. Er konnte nicht allein leben, sagte er. Zwei Wochen hatten genügt. Er brauchte Menschen um sich herum, musste sich nützlich
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