Und dann kam Paulette (German Edition)
Frühstück. Der Hund ist unruhig, rennt zwischen der Küche und ihrer Zimmertür hin und her. Ferdinand sieht ihm zu, er ist ganz betrübt. Er setzt Teewasser auf, hört ein Geräusch im Gang und schaut nach. Der alte Kater kratzt an der Tür. Ferdinand macht ihm auf, Mosche saust zwischen seinen Beinen durch. Lolli, der auf diesen Moment gewartet hat, rennt hinter ihm her, um mit ihm zu spielen, aber der alte Kater dreht sich um und versetzt ihm mit der Tatze einen Schlag. Er will seine Ruhe haben, verträgt es nicht, wenn man ihn morgens ärgert! Er hat heute Wichtiges zu erledigen. Eine Grundstücksbegehung, geeignete Stellen zum Jagen finden, an den Baumstämmen seine Krallen wetzen, sein neues Revier markieren. Jede Menge Arbeit. Er spielt zwar auch gern, aber nur, wenn nichts anderes ansteht. Lolli erholt sich schnell von dem Schlag, stürzt sich auf den Schwanz des Hundes, der ständig um sich schlägt. Total witzig.
Neun Uhr.
Marceline hat ihr Zimmer immer noch nicht verlassen. Ferdinand überlegt, was er tun soll. Mehrmals bleibt er vor der Tür stehen und horcht, nichts rührt sich.
Er sagt kein Wort zu Guy, denn er will ihn nicht beunruhigen.
Um zehn Uhr beschließt er zu klopfen. Er glaubt, ein Stöhnen zu hören. Klopft noch einmal. Ein zweites Stöhnen. Er macht die Tür auf, ruft. Im Halbdunkel sieht er sie auf dem Bett liegen, tritt näher, fragt, ob alles in Ordnung ist. Mit zittriger Stimme antwortet sie, dass sie sich nicht gut fühlt. Sie hat Fieber, Schmerzen im Bein und im Rücken, wahrscheinlich eine Grippe. Er legt ihr die Hand auf die Stirn. Sie ist glühend heiß.
Ferdinand geht zu Guy ins Zimmer, erzählt ihm, was los ist. Guy ist ganz geknickt. Bei Gaby war es genauso, anfangs dachten alle, es wäre eine Grippe. Sogar Lubin kam mit dieser Diagnose. Ferdinand bittet ihn, den Namen dieses Menschen nie mehr wieder in den Mund zu nehmen. Er ist unfähig und außerdem ein Idiot! Aber jetzt wissen sie immer noch nicht, was sie für Marceline tun können.
Dann hören sie, wie Isabelles Wagen auf dem Hof vorfährt. Sie brennt vor Neugier, möchte wissen, wie es gelaufen ist, hat sich aber nicht getraut, bei ihnen anzurufen. Darum tut sie so, als wäre sie zufällig vorbeigekommen und wolle die Gelegenheit nutzen, mal eben guten Tag zu sagen. Ach ja, und außerdem hat sie unterwegs gleich einen Stopp bei ihrem Onkel eingelegt und noch zwei, drei Sachen mitgebracht, die er vielleicht brauchen könnte. Seinen Kulturbeutel, Wollstrümpfe, eine saubere Hose und seine Gummistiefel. Man weiß ja nie. Es regnet so viel. Ach ja, und noch ein paar Fotos, die auf der Anrichte standen. Das bot sich regelrecht an, nicht wahr? Fotos von Gaby und den Kindern. Sie wirft einen Blick darauf, bevor sie sie Guy gibt, und bricht in Tränen aus.
Ohne sich abgesprochen zu haben, sind sie sich einig, dass sie ihr nichts von Marceline erzählen. Isabelle ist noch zu instabil, da muss man ihr nicht gleich mit einer neuen Krankheitsgeschichte kommen. Als sie wenig später fragt, wie es der Nachbarin geht und wo sie ist, antworten sie im Chor, dass es ihr gut geht und sie früh aufgebrochen ist, um im Garten zu arbeiten.
Sobald sie weg ist, setzt sich Guy zu Marceline ans Bett, gibt ihr eine Aspirintablette, wischt ihr mit einem feuchten Tuch über die Stirn. Währenddessen ruft Ferdinand bei Raymond an. Er ist Heilpraktiker und weiß bestimmt, was sie jetzt braucht. Aber er muss passen: Er versteht sich zwar auf Hautausschläge, Warzen, Rheuma und jede Menge andere Sachen, antwortet er, aber bei einer Grippe kennt er sich nicht aus. Er gibt den Hörer weiter an seine Frau, sie weiß bestimmt, was zu tun ist. Mine hat tatsächlich ein paar Rezepte parat, Thymiantee, einen Grog, damit sie schön schwitzt, Abkochungen und Breiumschläge, aber wenn das Fieber hoch ist, sollten sie besser einen Arzt rufen. Bloß nicht Lubin, Ferdinand, bitte nicht! Das sieht er zum Glück genauso. Sie empfiehlt Gérard, Mélies Schwiegersohn. Der ist sympathisch und kompetent. Und er kommt normalerweise recht schnell vorbei, wenn man ihn ruft.
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Diagnose
Gérard kam am späten Vormittag auf den Hof. Er hörte Marceline ab, stellte ihr Fragen zu Vorerkrankungen. Sie gab an, dass sie in den sieben Jahren, die sie jetzt hier lebt, noch nie gesundheitliche Probleme hatte. Gut möglich. Aber er ahnt gleich, dass etwas anderes dahintersteckt. Immer häufiger begegnet er Menschen, die es sich nicht leisten können,
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