Und dann kam Paulette (German Edition)
Bange, mein Junge, ich komme morgen früh bei dir vorbei, um dich zu holen. Wenn ich etwas sage, halte ich mich auch daran, dass das ein für alle Mal klar ist.
Am nächsten Morgen um sieben Uhr kam Guy, wie vereinbart, vorbei, um Ludo zu wecken. Es war noch dunkel. Leise gingen sie nach unten, zogen sich warm an und verließen das Haus. Hinter Guys Rad stand das Fahrrad, das sie in der Scheune voller Schwalbenkacke gefunden hatten und das dem unbekannten Bruder seines Vaters gehört hatte. Jetzt war es sauber und stand abfahrbereit auf seinem Ständer.
Ohne sich zu unterhalten, radelten sie nebeneinander her. Wegen des Fahrtwinds tränten ihnen die Augen, ihre Wangen wurden rot und ihre Lippen rissig.
Als sie am Ziel angekommen waren, legten sie die Fahrräder in den Graben, zogen die Mäntel, die hochgerutscht waren, tief nach unten, rückten ihre Mützen zurecht und wischten sich den Rotz ab, der ihnen aus der Nase lief. Sie wollten ordentlich aussehen. Anschließend machte Guy dem Jungen ein Zeichen, dass er ihm leise folgen sollte. Sie gingen an der großen Mauer entlang, bis sie zu einer Leiter kamen, die im Gras verborgen lag. Guy richtete sie auf, stellte sie an die Mauer, und sie kletterten hintereinander daran hoch, um auf den Friedhof zu gelangen.
Ludo bat Guy, ein Stück weiter vorne auf ihn zu warten. Mit seiner Taschenlampe suchte er Gabys Grab ab, fand aber keine Spalte zwischen den Steinen, keinen noch so kleinen Schlitz. Schließlich steckte er das vierfach gefaltete Blatt Papier neben dem Rosenstock, der am Grabstein wuchs, in die Erde.
Es folgt der Text des erneuten Briefs an Gaby (ohne die Rechtschreibfehler natürlich):
Liebe Tante Gaby,
ich schreibe dir, weil ich dir sagen will, dass ich jeden Morgen ganz fest an meine Träume denke, und trotzdem bist du nicht ein einziges Mal im Traum zu mir gekommen. Es macht mich ganz traurig, dass du lieber zu Klein Lu gehst und mit ihm und den großen Fischen im Meer schwimmst. Ich wollte dich nur daran erinnern, dass ich es war, der dich gebeten hat, in meine Träume zu kommen, die Idee stammt nicht von meinem Bruder. Und außerdem hätte ich diesen Traum gern selbst geträumt, weil ich es liebe, im Schwimmbad zu tauchen, ich halte sogar den Rekord. Im Moment würde ich Klein Lu gern sagen, dass er schrecklich doof ist. Aber wenn ich das sage, flennt er und rennt zu Mama und erzählt ihr alles. Er flennt bei jeder Kleinigkeit, das nervt. Ich habe dir schon im letzten Brief geschrieben, dass ich ständig Schimpfwörter benutze. Wenn du mich im Traum besuchen kommst, würde ich vielleicht versuchen, sie nicht zu sagen. Das wäre zwar superschwer. Aber ich könnte es probieren, wenn du willst.
Ist es schön da, wo du bist? Hier ist es saukalt (das heißt, dass es sehr kalt ist). Bald ist Weihnachten, ich hoffe, wir kriegen viele Geschenke. Vielleicht weißt du schon alles, was hier passiert. Sonst kann ich es dir erzählen. Isabelle und Roland lassen sich bald scheiden. Onkel Guy hat sich daran gewöhnt, dass du nicht mehr da bist, aber er schläft nachts nicht und repariert pausenlos Fahrräder. Ich glaube, Ferdinand würde Marceline gern küssen, aber er kann sich nicht endgültig entscheiden. Und außerdem, das wirst du nicht gern hören, ist dein Zitronenbaum tot. Onkel Guy hat ganz lange vergessen, ihn zu gießen. Das war’s. Ich hoffe, dass du bald in meinen Traum kommst.
Unterzeichnet: Ludovic
Dein Großneffe, der dich trotzdem lieb hat.
Als sie wieder auf den Hof kamen, ging Ludo nach oben, um Klein Lu zu wecken. Sie machten sich Brote und zwei große Schalen Kakao, dann besuchten sie Hortense, um noch einmal Karten mit ihr zu spielen. Hortense entschied sich für Rommé. Die beiden Jungen gewannen je zwei Spiele, worauf Hortense verstimmt reagierte. Also taten sie so, als würden sie nicht merken, dass sie anfing zu schummeln. Sie bekam wieder gute Laune, und Simone gab ihnen Bonbons.
Später gingen sie mit Ferdinand in die Pilze. Sie mussten Reflexwesten über ihre Mäntel ziehen, falls sie einem Jäger begegnen sollten. Das ist Vorschrift, zurzeit sind ganz viele von ihnen unterwegs, es könnte sonst gefährlich werden. Auf ihrem Spaziergang durch den Wald redeten und sangen sie sehr laut, um nicht mit Fasanen oder Wildschweinen verwechselt zu werden. Doch obwohl sie so laut waren, sahen sie ein Reh und zwei Kaninchen, aber Pilze fanden sie keine. Ferdinand war wütend, jemand hatte seinen Geheimplatz mit den Steinpilzen entdeckt und war
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