Und dann kam Paulette (German Edition)
unterbinden. Die Bonbons kaufen sie sich mit dem Taschengeld, das Roland ihnen gibt. Davon weiß sie nichts, das ist ihr Geheimnis. Er und Isabelle reden nämlich nicht mehr miteinander. Allerdings arbeiten sie noch zusammen, sie haben keine andere Wahl, beide nicht. Sie nicht, weil sie nichts anderes gelernt hat, und er nicht, weil er das Restaurant nicht allein betreiben kann. Aber Isabelle behauptet, dass es nicht mehr lange so weitergehen wird, die Situation belastet sie zu sehr. Sie träumt davon, sich etwas anderes zu suchen, gern in einer anderen Branche. Bloß in welcher? Das weiß sie noch nicht. Die Berufsaussichten hier in der Gegend sind nicht gut. Darum schiebt sie im Augenblick allen Stolz beiseite und schuftet weiterhin im Restaurant. Wenn sie weiß, dass es abends spät werden könnte, nimmt sie die Kinder mit und lässt sie bei Roland übernachten. Das macht sie aber nicht allzu oft, weil sie es hasst, allein im Haus zu sein, es schlägt ihr aufs Gemüt. Sie neigt dazu zu trinken, was in Verbindung mit den Antidepressiva nicht gut ist. Nach ein paar Gläsern stellt sie sich gern vor den Spiegel im Eingang, in dem sie sich von oben bis unten sehen kann, dann kommen ihr die Tränen, weil sie das Gefühl hat, dass sie auf der ganzen Linie gescheitert ist. Sie ist jetzt achtundzwanzig, hat zwei Kinder und ist bald geschieden. Das war’s. Bestimmt wird sie niemanden mehr kennenlernen, mit ihrem Liebesleben ist es ein für alle Mal vorbei. Sie ist zu alt, zu dämlich, vor allem ist ihr Bauch zu schlaff, und ihre Brüste hängen herunter. Das ist schrecklich. Welcher Kerl hätte Lust auf eine wie sie, jetzt …
Darum ist sie abends nach der Arbeit nicht gern allein im Haus. Damit sie nicht pichelt und irgendwann vor dem Spiegel steht, in dem sie sich von oben bis unten sehen kann. Vom Wein wird sie immer traurig. Aber wenn sie etwas anderes trinkt, ergeht es ihr nicht anders, das hat sie schon probiert. Der Effekt ist genau derselbe.
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50
Zusammen alt werden
Die Schwestern Lumière hatten beschlossen, ihr Haus zu verkaufen. Simone war es leid, jede Woche dort vorbeischauen zu müssen, einen Kontrollgang durch alle Zimmer zu machen, zu überprüfen, ob nicht einer der Fensterläden aufgebrochen worden war, ob sich in einem Schrank oder unter der Spüle irgendwelche Insekten eingenistet hatten, die Post mitzunehmen und die Drohbriefe des Neffen zu lesen, das setzte ihren Nerven allzu sehr zu. Es war besser, ein für alle Mal einen Schlussstrich zu ziehen. Und jetzt war der Zeitpunkt günstig, sie fühlten sich auf dem Hof wie zu Hause, es gab keinen Grund, das Haus weiter zu halten, es brachte nur unnötige Ausgaben mit sich. Also informierte Simone den Postbeamten, dass von jetzt an die gesamte Post auf den Hof zugestellt werden sollte. Nicht zu vergessen, der Canard Enchaîné , der jeden Mittwoch kam und den sie seit … einer Ewigkeit abonniert hatten.
Muriel hatte ihnen von ihrem Immobilienhändler erzählt. Dabei hatte sie ihnen nicht verschwiegen, dass er eher zu der gemütlichen Sorte gehörte. Ihr hatte er beispielsweise nichts vermitteln können. Aber ganz offensichtlich war Verkaufen eher sein Ding als Vermieten. Innerhalb von drei Tagen hatte er schon mehrere Interessenten durch das Haus geführt. Ein Ehepaar war besonders interessiert, wie er sagte, sie seien mehrmals da gewesen. Sie fuhren auf das ehemalige Ladengeschäft ab, das waren genau die Räumlichkeiten, die sie suchten, denn sie könnten sie zu einem Künstleratelier umfunktionieren. Die beiden Frauen brauchten jetzt bloß noch ihr Angebot abzuwarten. Sie sind ganz ungeduldig, vor allem Simone. Hortense ist das alles ziemlich egal. Für sie ist es irgendwie ganz weit weg.
Kurze Zwischenbilanz:
Isabelle und die Kinder wohnen in Guys Haus.
Marcelines Haus ist weit davon entfernt, repariert zu sein.
Die Schwestern Lumière wollen ihr Haus verkaufen.
Auf dem Hof ist es an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen und zu rechnen. Selbstverständlich kommt Guy diese Aufgabe zu. Die anderen haben es nicht so mit Plänen und Tabellen. Er hingegen liebt es, es ist sein Spleen. Er hat eine neue Akte angelegt, Einnahmen und Ausgaben und alles, was die WG betrifft, und sie mit zusammen alt werden überschrieben.
Um die Dinge möglichst gerecht zu gestalten, hat er allen vorgeschlagen, die Hälfte ihrer monatlichen Rente in die Gemeinschaftskasse einzuzahlen. Seinen Berechnungen nach sollte das reichen, um
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