Und dann kam Paulette (German Edition)
alle Ausgaben rund um das Haus zu decken. Es ist deutlich weniger, als sie vorher ausgegeben haben. Sie sind überrascht und finden die Idee sehr gut. Bei Ferdinand, Guy, Simone und Hortense ist die Sache einfach. Bei Marceline hingegen liegen die Dinge anders, da sie weder eine Rente bezieht noch sonst Unterstützung vom Staat bekommt. Trotzdem ist es nicht schwierig und läuft am Ende aufs Gleiche hinaus, denn ihr Beitrag entspricht der Hälfte ihrer Erzeugnisse (Obst, Gemüse, Blumen, Eier, Honig, Marmelade, Walnussöl etc.). Die andere Hälfte verkauft sie auf dem Markt.
Allein schon, wenn man die Wasser-, Strom- und Telefonrechnung, den Fernsehanschluss, die Rundfunkgebühr, die Gemeindesteuern und die Versicherungen zusammenzählt, ist der Unterschied enorm. Früher sind diese Kosten für jeden Haushalt angefallen, jetzt zahlen sie zusammen nur noch für einen Haushalt. Ein Telefon, ein Fernsehanschluss, eine Versicherung … Die Ersparnisse sind bedeutend: Sie könnten Geld zur Seite legen, sich Dinge kaufen … Aber die Situation ist noch zu neu, und so haben sie noch nicht darüber nachgedacht, was sie mit dem ganzen Zaster machen wollen. Wie aufregend.
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Muriels Sicht der Dinge …
Muriel ist in den zweiten Flügel des Gebäudes gezogen. Morgens und abends geht sie zu Hortense, wäscht sie, gibt ihr die Spritze, versorgt sie mit Medikamenten. Wenn es nicht regnet, hilft sie ihr in den Rollstuhl und schiebt ihn an die frische Luft. Und auch sonst ist sie zur Stelle, wenn jemand ihre Hilfe braucht. Ferdinand zum Beispiel hat sich beim Holzhacken die Hand verletzt. Sie besteht darauf, ihm jeden Tag den Verband zu wechseln, und er hat ihr sogar versprochen, dass sie zu gegebener Zeit die Fäden ziehen darf. Sie ist selig. Was sie jetzt noch üben muss, sind Blutabnahmen. Meistens ist sie zu schnell und ein bisschen zu grob, das möchte sie besser machen. Total professionell werden und dabei sanft vorgehen, das ist ihr Ziel. Nicht wie diese Hexen, die ihrer Mutter damals den Bauch geleert hatten. Sie hatten keine Hemmungen gehabt, ihr wehzutun, wenn sie sie mit ihrer dicken Nadel piksten, um ihre Bauchwassersucht zu behandeln. Und wenn sich die Mutter beschwerte, sagten sie ihr, sie sei selbst schuld an ihrer Leberzirrhose, sie hätte es sich vorher überlegen sollen, bevor sie zur Flasche gegriffen hat. Muriel möchte professionell und sanft zugleich sein, und sie ist sich sicher, dass das geht. Was die Blutabnahmen betrifft, hat Guy ihr seine Venen angeboten. Ihn juckt es überhaupt nicht, und er hat auch keine Angst vor Nadeln, denn er ist alles andere als zimperlich.
Was das Praktische angeht, ist die neue Wohnsituation einwandfrei. Auch die Räumlichkeiten. Muriel hat viel Platz, braucht das Bett nach dem Aufstehen nicht hochzuklappen, um sich anziehen zu können, und sie muss auch nicht sofort nach dem Essen das Geschirr spülen, damit sie sich die Hände waschen kann, wenn sie auf dem Klo war. Sie ist sehr zufrieden. Der einzige Wermutstropfen: Es gibt kein Internet. Das ist blöd, wenn sie Material für ihre Hausaufgaben braucht, ihren Freundinnen Mails schicken will, chatten oder irgendwelche bescheuerten Spiele spielen möchte. Das fehlt ihr, aber alles andere ist okay. Die Alten sind eher cool. Dabei ist die Idee zusammenzuwohnen nicht ohne. Bei so vielen eigenwilligen Typen …
Hortense, zum Beispiel, ist zwar ulkig, aber man muss auch mit ihr können, sie hat eine schwierige Art. Mit ihren Stimmungsschwankungen und ihren Gedächtnislücken ist nicht jeder Tag ein Zuckerschlecken. Und sie kann ganz schön zimperlich sein, die Alte! Wenn man ihr Spritzen geben will, ist es nicht einfach. Es sei denn, man bringt sie zum Singen. Ja, es ist schon verrückt, wenn sie singt, erinnert sie sich auf einmal an alles, an den Text, an die Melodie, und sie wird ganz ruhig, ist freundlich und charmant. Beeindruckend. Wenn das so weitergeht, wird Muriel im Altenheim ihrer Urgroßmutter ein zweites Praktikum absolvieren müssen, um ihr Repertoire an Chansons zu erweitern. Sonst wird das hier irgendwann die Hölle!
Dann Simone. Die hier die Chefin spielt, nur weil sie von den beiden die Jüngere ist und sich gut gehalten hat. Das ist nervig. Gleichzeitig ist alles, was sie macht, auf Hortense ausgerichtet, sie meint es gut, man kann ihr keinen Vorwurf machen. Die Arme hat solche Angst davor, sie zu verlieren. Wenn es so weit ist, wird sie sich aufgeben, das ist klar. Dann wird sie
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