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Und dann kam Paulette (German Edition)

Und dann kam Paulette (German Edition)

Titel: Und dann kam Paulette (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Constantine
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Kommentar war: Uff.
    Natürlich war Hortense schwer enttäuscht, als sie erfuhr, dass Muriel gleich nach der Spritze wieder verschwinden würde, und sie verlieh ihrer Enttäuschung lautstark Ausdruck. Hätte sie mit den Füßen aufstampfen können, sie hätte es getan. Sie wünschte sich, dass die Kleine länger blieb, die Jugend war Balsam für ihre Seele, ihre Sauerstoffkur, ihre Erdbeeren mit Schlagsahne im tiefsten Winter. Der Kontakt mit jungen Menschen ließ sie aufblühen. Verstehst du, Simone? Ich habe die Nase voll von all den Alten! Sie gefallen mir nicht, sie sind nicht witzig, und außerdem riechen sie nicht gut! Simone verdrehte die Augen und murmelte: Jetzt faselt sie wieder dummes Zeug. Aber Muriel bedeutete ihr, dass sie dem Geschwätz nicht allzu viel Bedeutung beimaß, sie war daran gewöhnt. In ihrer Familie hatte es Fälle gegeben, die ähnlich gelagert waren.
    Die zweite Spritze.
    Bei der hier war sie aufgeregter als bei der ersten. Das machte sie nervös, also bereitete sie sich besonders intensiv darauf vor. Sie rief sich alle Hygienevorschriften mit den medizinischen Fachbegriffen Punkt für Punkt und in der richtigen Reihenfolge in Erinnerung. Aber sie fürchtete sich natürlich vor der eigentlichen Spritze. Und wenn sie dieses Mal patzte? Wenn sie einen Nerv oder ein Blutgefäß traf? Nicht auszudenken. Um sich und zugleich auch Hortense zu beruhigen, begann sie leise zu singen.
    Und Hortense erkannte sofort, um welches Lied es sich handelte. Sie grölte los. Könnte man die Zeiger anhalten …
Si l’on pouvait arrêter les aiguilles
Au cadran qui marque les heures de la vie
Nous n’aurions pas la triste appréhension
D’entendre l’heure de la séparation.
    Nachdem Muriel gegangen war, setzte sich Simone auf die Bettkante, und im Duo sangen sie die Strophe zu Ende. Mit rollendem «r», zittriger Stimme und feuchten Augen.
Après avoir passé toute une vie
À nous chérir sans aucune jalousie
Le cœur bien gros on n’devrait pas penser
Qu’un jour, hélas, il faudra nous quitter
Vivons d’espoir, à quoi bon s’faire d’la bile
Puisqu’on n’peut pas arrêter les aiguilles.
    Hortense streichelte Simones Hand. Doch plötzlich ging ein Ruck durch Hortense, sie setzte sich energisch auf, lehnte sich an die Kopfkissen, wischte sich mit dem Ärmel ihres Nachthemds über die Nase und verlangte nach dem großen Wollbeutel. Es fiel ihr schwer, die passende Wolle für den Schal auszuwählen. Am Ende entschied sie sich für eine melierte Sorte. Das war modern und würde der Kleinen gut stehen, oder? Was meinst du, Simone? Simone antwortete versöhnlich, sie finde die Idee sehr gut. Sie half Hortense, die Maschen aufzunehmen, um ihr die Arbeit zu erleichtern. Hortense schaffte drei Reihen, bevor sie wegdämmerte, erschlagen von all der Anstrengung und den vielen Gefühlen.

[zur Inhaltsübersicht]
    46
    Drahtesel
    Die Katzen hatten anscheinend die ganze Nacht und den Morgen über geschuftet und Mäuse gefangen, denn als Marceline nach dem Mittagessen die Tür zu Muriels künftigem Zimmer öffnete, lagen beide mit dicken Bäuchen neben dem Ofen und hatten nicht einmal die Kraft, den Kopf zu heben, um sie zu begrüßen. Muriel begann, den Fußboden im Badezimmer zu schrubben, dann folgte die Küche, doch als sie sich an das Schlafzimmer machte, fiel ihr auf, dass sich die alte Tapete in großen Fetzen von den Wänden löste. Es war ein Jammer. Ferdinand und sie kamen überein, dass sie das Zimmer nicht in diesem Zustand lassen konnten, also rissen sie die Tapeten von den Wänden. Dann rührte sie zusammen mit den Kindern Farbe an. Zwei Kilo Kartoffelpüree, zwei Kilo Schlämmkreide, etwas Stärke, um das Ganze zu fixieren, und Wasser. Hinsichtlich des Farbtons hatten sie an Grün gedacht. Mit aufgekochtem Estragon wäre das machbar und würde außerdem gut riechen, aber dafür war jetzt nicht die Saison. Darum nahmen sie einen roten Backstein, steckten ihn in eine Tüte, schlugen mit einem schweren Hammer darauf, bis er zu Pulver geworden war, und mischten ihn unter die Masse. Das verlieh dem Gemisch eine zartrosa Nuance, die Ludo perfekt fand. Vor allem für ein Mädchenzimmer …
    Nach dem Streichen verschwanden die Lulus in der Scheune und spielten Verstecken. In einer dunklen Ecke fanden sie unter Stroh zwei alte Fahrräder, die ganz mit Vogelkacke bedeckt waren. Kein Wunder bei den vielen Schwalbennestern darüber. Nachdem sie sie ausgegraben und aufgestellt hatten, sahen sie, dass die

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