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Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atze Schröder
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Jerez. That’s Spain, wenn du mich fragst. Im Geiste kramte ich nach den richtigen spanischen Wörtern für meine Gourmetbestellung in Landessprache. Ich fragte Helga: «Sag mal, was heißt eigentlich Espresso auf Spanisch?»
    «Wieso Spanisch? Bist du bekloppt? Wir gehen doch nicht zum Spanier. Das spanische Zeug kann man doch nicht essen. Das verträgt kein vernünftiger Magen!»
    «Äh – Moment mal, du hast doch gesagt, wir gehen zu Pedro!»
    «So heißt doch nur die Kneipe. Gisela und Volker haben den Laden schon seit zwanzig Jahren. Da kriegst du den besten Wirsingauflauf von ganz Spanien. Die haben sogar dänischen Gurkensalat für dich besorgt. Nicht böse sein, ich hab ein bisschen mit dir angegeben. Hast du Autogramme dabei?» Ach du Scheiße, auch das noch. Mir brach der kalte Schweiß aus. Ehe ich was sagen konnte, standen wir schon unter der Eingangsmarkise der rappelvollen Wirsinghütte. Mit einem westfälisch strammen «Gisela, zapf an, da isser! Da isser!» machte Volker gleich klar, dass Diskretion und Wahrung der Privatsphäre nicht zu seinen Kernkompetenzen gehörten. Er umarmte mich mit seinen aufgeweichten Zapfgriffeln und drückte mich mit einer innigen Verbundenheit, als ob wir uns im Schneegestöber des Kessels von Stalingrad aus den Augen verloren hätten. Dabei brüllte er mir für alle hörbar ins Ohr: «Atze Schröder! Atze Schröder! Atze! Ja, is’ klar, ne! Atze! Da isser. Alles für den Dackel, alles für den Club! Atze, mein Atze!» Tapfer lächelte ich die aufkeimenden Mordgedanken weg und ließ die Welle plumper Zuneigung über mich hinwegrollen. Was für ein Idiot. Ich kannte den Lappen doch gar nicht. Trotzdem setzte ich noch eins drauf.
    «Volker, mein Volker! Warum bist du denn damals in Berlin im ‹Sandwich› einfach abgehauen mit der blonden Transe? Gisela, das hättest du mal sehen müssen, wie zärtlich der Volker sein kann, sobald Bartstoppeln auf der Oberlippe sind. Was, Volker? Klingelingeling, hier kommt der Eiermann!»
    Schon nicht mehr ganz so begeistert, bugsierte uns die leicht angeschossene Frohnatur an einen «ruhigen Tisch», den man von allen Ecken gut sehen konnte.
    «Was wollt ihr trinken? Essen ist inner Mache! Dass ich das noch erleben darf. Helga, Autogramme gleich gehen klar, nä?»
    Um ein bisschen Ruhe ins Boot zu bringen, schrieb ich ’ne Lage Autogramme, und nach zwanzig Minuten hatte sich der Trubel auch schon wieder beruhigt. Volker servierte seinen Wirsingauflauf. Nachdem wir die Pampe brav aufgegessen hatten, fragte ich Helga: «Wo ist denn jetzt dein spanischer Liebestorero? Stimmt der schon die Gitarre, oder ist er noch beim Stierkampf gefragt?»
    «Du brauchst gar nicht so zu frotzeln, Herr Schröder. Da ist er doch schon. Wenn man vom Teufel spricht!»
    In der Tür stand ein untersetzter, sonnenverbrannter Ossi im Camp-David-Hemd. Ende fünfzig, Pocke überm Gucci-Gürtel, breites Grinsen. So ’ne schlabberige Mischung aus Homer Simpson und Tiffy aus der Sesamstraße. Er watschelte ohne den absolut angebrachten Hauch eines Selbstzweifels auf unseren Tisch zu und steckte Helga zur Begrüßung die Zunge bis zum Anschlag in den Hals. Sie erwiderte lustvoll. Die nächsten drei Minuten der liebestollen Schleckerei wären selbst aus einem Hardcore-Porno rausgeschnitten worden. Als sich die Liebenden voneinander lösten, stellte sich der ostdeutsche Ameisenbär vor.
    «Enrico Krause, erfreut, dich kennenzulernen. Ich sag mal du. Ich bin ja der Ältere.»
    Eigentlich bin ich ja selten um Worte verlegen, aber jetzt war ich wirklich nicht in der Lage zu sprechen. Was sollte ich auch sagen? Diese Flitzpiepe wollte meine Helga heiraten? Die ewige Moosrose aus Essen, die heißeste Partie, die das Ruhrgebiet in den wilden 70ern zu bieten hatte? Bis heute kursiert in Essen das Gerücht, dass der Promoauftritt der Rolling Stones 1973 zum Weltspartag im üppigen Foyer der Hauptsparkasse nur wegen Helga nicht stattfinden konnte. Mick Jagger, die immer scharfe Diva, wollte sich nämlich angeblich von keiner anderen als Frau Wachowiak den Kajalstrich nachziehen lassen. Aus wie immer gut unterrichteten Kreisen wurde die Geschichte unter dem Siegel der Verschwiegenheit folgendermaßen kolportiert: Während Helga in der provisorischen Garderobe bei Mick auf dem Schoß saß und den Kajalstrich nachzog, machte dieser angeblich mit seinem Stift dasselbe. Und zwar ausgiebig. Als die beliebte Popgruppe um 15.30 Uhr vor der Auslosung der Gewinnersparbücher durch den

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