Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atze Schröder
Vom Netzwerk:
frisch eingestreuten Rasen (Sorte «Wimbledon») zerstörten, um einen fünfzig Kilo schweren Köter zu verbuddeln, war im wahrsten Sinne des Wortes «Ende im Gelände».
    Bevor die «Natter» auch nur zischen konnte, hatte der rüstige Rentner dem hünenhaften Luden mit der stumpfen Seite seiner alten Kohleschüppe derartig eins übergebraten, dass dieser sich auch nach den zehn Jahren in der JVA Velbert an nichts mehr erinnerte und sich erst nach fünf Jahren Bewährung wieder traute, in der Öffentlichkeit vorsichtig ein Käsebrötchen zu bestellen. Ein zwei Meter großes Häufchen Elend. Für immer gebrochen. Dank Opa Stahl.
    Das alles ging mir in dem Ferienflieger durch den Kopf, als ich dem Terrorrentner kleinlaut half, seine beschissenen Bocciakugeln wieder ins Gepäckfach zu stopfen.

    Eine gute Stunde später landeten wir sanft auf dem Flughafen Las Palmas de Gran Canaria. Nach dem herzlichen Empfang am Flughafen saß ich müde, aber entspannt neben der gutgelaunten Helga Wachowiak auf dem Beifahrersitz ihres alten Renault R4. Wir machten uns auf den Weg zu ihrer kleinen Wohnung in der Ferienanlage «Las Rebajas». Ich konnte mir Helga überhaupt nicht mit einem heißblütigen Toro-Lover vorstellen und überlegte die ganze Zeit, wie er wohl aussah, der Bube ihres Herzens. Kurzum: Ich war gespannt wie ein Flitzebogen. Die betörend schöne Insellandschaft der «Königin der Kanaren» zog an uns vorbei. Durch das halbgeöffnete Fenster umschmeichelte der Duft der farbenfrohen Hibiskusblüten meine sonnenhungrige Februarhaut, verlockend schimmerte der azurblaue Atlantik am Horizont. Hier wurde man sofort ruhiger, hier konnte man entschleunigen – hier schaltete man gleich zwei Gänge runter. Auch Helga hatte dauerhaft runtergeschaltet. In ihrem betagten R4 schaffte es die zittrige Tachonadel nicht über 55 Stundenkilometer. Sie schien meine Gedanken lesen zu können.
    «Tut mir leid, Atze, die Revolverschaltung ist kaputt. Der dritte und der vierte Gang gehen nicht mehr rein, aber die brauchst du hier sowieso nicht. Wir Canarios haben Zeit.»
    Soso – «wir» Canarios. Die gute Helga machte also schon auf Ureinwohner. Vor Jahrhunderten haben «wir» hier als Guanchen in den Höhlen gelebt, unter den spanischen Conquistadores bitteren Blutzoll gezahlt, dem kargen Atlantik die letzte Makrele abgerungen, und jetzt sind «wir» Canarios also pensionierte Friseusen, die alle Zeit der Welt haben!
    Mann, Helga. Sonst noch was?
    Wir bogen von der Hauptstraße ab und rollten auf eine kleine Urbanisation mit dem maroden DDR-Charme der 70er Jahre zu. Zu allem Überfluss jallerten wie auf Bestellung die unvermeidlichen «Gipsy Kings» ein schrengelndes «Hotel California» durch den morschen Monolautsprecher über dem Handschuhfach. Vor einem achtstöckigen Plattenbau in heimeligem Zementgrau kam das klapprige Helgamobil zum Stehen, und meine Gastgeberin deutete mit einem verschmitzten Lächeln auf ein verblichenes Schild über der Eingangstür: «Willkommen in der Casa Elvira España». Auweia. Als wir in die Wohnung kamen, traute ich meinen Augen kaum. Verstohlen blickte ich auf den Abriss meines Flugtickets, um mich zu vergewissern, dass ich den Flug nicht nur geträumt hatte. War ich vielleicht doch noch in Essen?
    Helga hatte ihre alte Wohnung konsequent originalgetreu rekonstruiert. Ich erkannte alles wieder: ihr altes Nussbaum-Buffet, das schwarze Ledersofa von Colani, die alte Biedermeieranrichte – alles genau wie in Essen. Natürlich roch es auch hier wie auf einer abgebrannten Mentholplantage, und sogar der alte Friseurstuhl mit der unverwüstlichen Siemens-Trockenhaube stand vor dem goldenen Messingspiegel. Auf meinen fragenden Blick hin erwiderte sie mit Unschuldsmiene: «Man wird doch wohl noch ab und zu ’ne kleine Dauerwelle legen dürfen. Das kriegen die Spanier nicht hin. Schon gar nicht bei den ganzen Touri-Omas. So, und jetzt stell erst mal deine schwere Tasche ab, und dann gehen wir rüber zu Pedro, was essen. Super Laden, da gehen sogar die Spanier hin.»
    Das war mal ein guter Vorschlag. Auf jeden Fall schnell raus aus Helgas verquarztem Marlboro-Museum. Zur Not würde ich einfach am Strand pennen. Oder als Veterano der freien Liebe mit irgendeiner rassigen Dolores anbändeln – aber erst mal eintauchen in die kulinarische Welt der Kanaren. Ich freute mich auf ein gepflegtes «San Miguel», Sepia a la plancha, Pimientos de Padrón und zum Nachtisch Crema catalana mit einem warmen Brandy de

Weitere Kostenlose Bücher