Und dann kam Ute (German Edition)
vorbeikommen … bitte … unbedingt zwei Calippos mitbringen, ja?»
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10.
Fesseln der Liebe
I ch öffnete die Haustür und schob den Kinderwagen umständlich nach draußen. Es war ein heißer Tag im August 2008, und es kam mir so vor, als ob die Zeit seit Philipps Geburt doppelt so schnell vergangen war. Die Tournee 2007/2008 war die härteste, die ich in meiner Karriere erlebt hatte. Ein nicht enden wollender Kreislauf aus Promoterminen, Fernsehauftritten und Konzerten. Das Wort «Zuhause» existierte für mich nicht mehr. Ich schlief nur noch in Hotels und auf der Autobahn im Beifahrersitz meines Porsche. 300 Termine gehen selbst an so einem Titanen wie mir nicht spurlos vorüber. Außerdem hatten mir die Dreharbeiten zu meinem Kinofilm «U 900» die letzte freie Zeit geraubt. Im Nachhinein eine Wahnsinnsidee – ein U-Boot-Film!
Wir drehten einen Monat auf Malta auf dem U-Boot. Wir drehten einen Monat in Rom in dem U-Boot, und wir drehten einen Monat in München die Szenen ohne U-Boot. Abschließend musste ich feststellen, dass Filmedrehen weitaus anstrengender ist, als ich in meiner Naivität und Begeisterung für das Projekt gedacht hatte.
Von Philipps erstem Lebensjahr hatte ich nicht viel mitbekommen. Ab und zu schickte Ute mir Fotos. Der Kleine im Garten mit Flöcki auf der Krabbeldecke, der Kleine mit Oma Maria im Kinderwagen, mit Gomera-Gerd beim Blumengießen im Garten, das erste Weihnachtsfest – was man eben so fotografiert. So hatte ich meinen kleinen Kumpel wenigstens immer auf dem iPhone bei mir.
Aber jetzt war ich seit zwei Wochen zu Hause und erholte mich glücklich und zufrieden von den Strapazen des letzten Jahres. Wann immer es ging, verbrachte ich Zeit mit Philipp. Unermüdlich las ich ihm sein Lieblingsbuch «Ich bin der kleine Hund» vor oder tobte mit ihm durch den Garten. Oder wir gingen zum Eiscafé Venezia, wo ich einen Eierlikör-Milchshake verputzte und der Kleine eine Riesenkugel Erdbeereis.
Heute war die City unser Ziel. Ich schob den Kinderwagen mit dem strahlenden Milupa-Bomber an Bord in der für mich so typischen Mischung aus Lässigkeit und Sorgfalt durch die Essener Fußgängerzone und stellte zu meiner Verwunderung fest, welch aufpeitschende Wirkung ein attraktiver Mann mit einem Kinderwagen auf die Damenwelt hat. Wirklich faszinierend. Ich war überrascht – da denkt man, dass man alle Tricks kennt, die zum Herz einer schönen Frau führen – und dann öffnet sich plötzlich ein neuer amouröser Pfad ins Abenteuerland!
Wenn ich das geahnt hätte. Was hatte ich nicht schon alles ausprobiert? Traumstrände, Eierlikörtorte, fallengelassene Autoschlüssel, Eheversprechen … selbst Flöcki hatte ich schon als Schleckmuschelköder mit nach Sylt genommen. Der Trick mit ihm war einfach, aber wirkungsvoll: Ich warf die kläffende Töle in einem unbeobachteten Moment im hohen Bogen in die Brandung. Dann schrie ich höchst erregt in Richtung Strand: «Um Himmels willen, warum tut denn hier keiner was? Das Tier ertrinkt doch. Hiiilfe!» Dann hechtete ich mit Jeans und T-Shirt kopfüber in die Fluten, um Flöcki unter großem Beifall und Anteilnahme aller Strandschönheiten vor dem sicheren Tod zu retten. Wenn wir beiden dann zitternd und pitschnass wieder am Strand standen, gab es nur wenig später für jeden die entsprechende Belohnung.
Ich bewegte mich also mit dem kleinen Philipp durch die Essener Fußgängerzone und beobachtete wohlwollend unser Spiegelbild in den Schaufenstern der Kaufhäuser.
Berauscht von so viel optischem Glück, beschloss ich, den nächsten Spielplatz anzusteuern, um mir mal einen Überblick über die Qualität solcher Anlagen zu verschaffen. Kinder sind schließlich unsere Zukunft. Die Wertschätzung einer Gesellschaft für ihre Kinder zeigt sich nicht nur an der Verschwendung von öffentlichen Geldern für Opernhäuser und Tiefgaragen, sondern auch an der Güte und Beschaffenheit des Sandkastens eines städtischen Spielplatzes. Befeuert von meinem eigenen Gutmenschentum, steuerte ich den neu angelegten Großspielplatz in der Sprickmannstraße an. Am Kiosk versorgte ich uns mit dem Nötigsten: Für mich eine Gala , ein Pils, ein Magnum Mandel und ein Mini-Magnetschachspiel. Für den Kleinen eine Cola Light, damit er nicht diese ungesunde Zuckerplörre trinken musste. Gerade schlief der kleine Mann unter dem schützenden Sonnenverdeck sowieso tief und fest den Schlaf der Gerechten.
Ich ließ mich also auf einer der
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