Und dann kam Ute (German Edition)
so weit draußen vor der City und dann noch im Juli. Diese Schweine. Ich möchte nicht wissen, was das jetzt wieder kostet. Ich riss mich zusammen und gab mich jovial.
«Herr Wachtmeister, wie kann ich Ihnen helfen, was liegt gegen Sie vor?»
«Ach, der Schröder, auch immer im Dienst. Jetzt lassen Sie mal die Faxen und beantworten Sie mir ein paar Fragen. Kennen Sie einen Gerd Storkenbeck, wohnhaft in Essen, Kurt-Schumacher-Straße 10?» Immer diese akkuraten Beamten.
«Ja sicher kenn ich den, das ist mein Nachbar. Wieso?»
«Gegen den Herrn Storkenbeck liegt eine Anzeige vor wegen eines Drogenvergehens. Können Sie in der Sache etwas sagen?»
Ich schaltete auf naiv.
«Waaas? Drogen? Der Gerd? Ich weiß von nix! Gerd und Drogen, haha! Da muss aber eine Verwechslung vorliegen, Herr Kommissar! Der nimmt doch keine Drogen außer Maoam!»
«Lassen Sie mal gut sein, Herr Schröder. Wir haben in seinem Kofferraum zwanzig Kilo Marihuana gefunden. Unsere Kollegen vom Zoll haben das Fahrzeug von Herrn Storkenbeck an der niederländischen Grenze aufgebracht und kontrolliert.»
«Und was wollen Sie jetzt von mir, Herr Inspektor?»
Endlich kam Sherlock Holmes zur Sache.
«Der Herr Storkenbeck hat sie als nächsten Angehörigen angegeben. Seinem Wunsch entsprechend informiere ich Sie hiermit. Morgen wird der Haftrichter über seinen weiteren Verbleib in der U-Haft entscheiden und gegebenenfalls eine vorläufige Freilassung auf Kaution festlegen. Wenn Sie einen Anwalt einschalten möchten, beachten Sie bitte den Zeitpunkt der richterlichen Vorführung. Das ist exakt um 10.32 Uhr im Sitzungssaal 23 des Amtsgerichts Essen.»
Eine Stunde später rollte ich auf der Autobahn Richtung Essen. Was war da nur los? Wieso hatte Gerd zwanzig Kilo Gras im Kofferraum seines Autos, wenn doch schon allein die Plantage in seinem Wohnzimmer den Jahresbedarf der jamaikanischen Olympiamannschaft abdeckte? Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Außerdem benutzte Gerd doch nur einmal im Jahr sein Auto – und das auch nur, um es zur Inspektion in die Werkstatt und zurück zu fahren. Die drängendste Frage aber war: Warum hatte Gerd mich als seinen nächsten Angehörigen angegeben?
Ich fühlte mich beschämt und gleichzeitig gerührt. Da wohnt man seit Jahren unter einem Dach und weiß so wenig voneinander. Klar waren wir gute Nachbarn, und natürlich hatten wir so einiges zusammen erlebt, aber dass ich ihm so viel bedeutete, hätte ich nicht für möglich gehalten. Auf der anderen Seite – vielleicht war ihm auch einfach niemand anders eingefallen. Aber egal, wie die Sache auch gelaufen war, ich würde Gerd nicht hängenlassen. Also rief ich meinen Anwalt Dr. Tom Hagen an und informierte ihn über den Gerichtstermin. Tom versprach, sich zu kümmern, und sagte mir bei der Gelegenheit auch gleich noch, dass sich mein Patenonkel freuen würde, mich mal wieder zu sehen. Ich versprach, Onkel Michael bald zu besuchen, und beendete das Gespräch. Die restlichen Kilometer vergingen im Flug.
War das ein gutes Gefühl, wieder in die gute alte Kurt-Schumacher-Straße einzubiegen! Die Reifen rumpelten über das Kopfsteinpflaster, die alten Bäume trugen zarte Knospen, und Frau Stachowski, die alte Gifthexe, hing wie gewohnt mit einem Kissen im Fenster von Haus Nummer acht und bedachte mich wohlwollend mit einem bellenden «Da biste ja wieder, du Asi!».
Willkommen zurück im Pott. Das gibt’s nirgendwo anders. Da kannst du ganz wichtig neben Halle Berry und Tom Hanks bei «Wetten, dass..?» auf der Couch sitzen, für so eine Malocher-Oma bleibst du einfach für immer ein Rotzlöffel, der nur Blödsinn im Kopf hat.
«Guten Tag, Frau Stachowski, Sie sehen toll aus heute. Haben Sie was machen lassen?»
«Schröder, ich komm gleich raus und hau dir höchstpersönlich einen vorn Tabernakel, du alter Paselacke! Haste mir wenigstens wat mitgebracht?»
Wir geierten beide, und ich rief noch rüber: «Ja sicha! ’ne Tüte Berliner Luft. Leg ich dir morgen mit den Brötchen vor die Tür.»
Dann brachte ich meinen Koffer in die Wohnung und beschloss, erst mal einkaufen zu gehen. Gott sei Dank war in Utes Wohnung alles still. Bestimmt kam sie nicht vor dem späten Nachmittag aus der Schule zurück, und Philipp ging ja schon in die Kita. Meine Bude sah klasse aus: Die Post lag ordentlich auf dem Küchentisch, und alles war tipptopp aufgeräumt. Gerd hatte ganze Arbeit geleistet – ein Grund mehr, ihn jetzt nicht hängenzulassen. Vom Einkauf zurück,
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