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Und dann kam Ute (German Edition)

Und dann kam Ute (German Edition)

Titel: Und dann kam Ute (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atze Schröder
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Strandcafés. Der einzige heute noch existierende Zugang zu diesem unterirdischen Badeparadies ist in der U-Bahn-Station am Tempelhofer Damm/Ecke Paradestraße. Wenn man ungefähr hundert Meter in den Versorgungsschacht hineinläuft, kommt man zu einem geräumigen Lastenaufzug, der angeblich nur bis zum dritten Stockwerk unter die Erde fährt. Der Trick ist, viermal auf den dritten Knopf zu drücken. Schon fährt man in den vierten Stock ein. Nur sehr wenige Menschen in Deutschland und Amerika wissen von diesem Zugang. Bei mir war es purer Zufall, dass ich überhaupt davon erfuhr. Als der Flughafen Tempelhof noch in Betrieb war, musste ich einmal, weil mein Flieger Verspätung hatte, noch reichlich Zeit totschlagen. Ich ging also in die Flughafen-Bar «Cockpit», die allen, die damals von oder nach Tempelhof flogen, sicher noch bekannt ist. An der Bar standen bester Laune zwei Würdenträger der deutschen Hochkultur: Harald Juhnke und Gunter Gabriel. Begeistert gesellte ich mich, noch völlig nüchtern, wie ich war, dazu. Selbstredend verpassten wir alle unseren Flieger. Nach fünf Stunden sagte Juhnke trocken: «Ick geh jetz baden, wa?» Kurze Zeit später standen wir staunend an Hughes’ unterirdischem Strand. Seitdem ziehe ich diesen Joker immer wieder gerne, um der gepflegten Langeweile einer Hotelsauna zu entkommen.

    Der Aufzug stockte, ich drückte mit beiden Händen den gusseisernen Hebel der Elektroversorgung nach unten, und «Mini-Waikiki-Beach» erwachte wieder zum Leben. Restlose Begeisterung auf den Gesichtern der Partytruppe aus dem KaDeWe. Champagnerkorken krachten, Textilien flogen umher, und dazu spielte Pierre die treibende Melodie von Jean-Michel Jarres «Oxygene» auf seiner Quetschkommode. In den nächsten Stunden spielten wir frisch und frivol den in Cineastenkreisen hochgeschätzten Erotikklassiker «In Malmö steht ein Lotterbett» nach. Ah, was für ein tolles Fest! So konnte es endlos weitergehen. Noch eine Woche später knirschte mir der Sand im Klempnerpfirsich, und ehe der Monat zu Ende ging, war ich Partylegende in Berlin. Man nannte mich nur noch den «König von Waikiki Beach».
    Ich erlebte noch drei unglaubliche Monate in Berlin, dann zog ich weiter. Und um ehrlich zu sein – in München, Hamburg, Düsseldorf, Weimar, Dresden, Leipzig, Köln und Bremen war es genauso unglaublich. Ob mit dem U-Boot durch den Starnberger See, mit dem Einrad über die Köhlbrandbrücke oder mit dem angeblichen Nonnenchor der Frauenkirche im Dresdner Zwinger – es gab keine Tabus. Auf Tournee und im Fernsehen war ebenfalls «alles Atze». Ich ließ nix anbrennen. Ich tat alles, um Ute und meine Essener Welt aus dem Kopf zu kriegen.
    Ab und zu meldete ich mich bei Philipp, schickte ihm von unterwegs eine Postkarte oder einen kleinen Gruß aus dem Legoland. Gomera-Gerd kümmerte sich um meine Bude, schickte mir die wichtigste Post nach und ließ alle zwei Wochen die Putzfrau in die Wohnung. Eigentlich war alles in bester Ordnung. Ich hatte mein geliebtes Rock-’n’-Roller-Leben und war niemandem Rechenschaft schuldig.
    Und dennoch: Irgendwas fehlte. Ich sehnte mich nach meinem Zuhause. Ich vermisste sogar Flöckis nerviges Gebelle. Den süßlichen Hanfduft im oberen Treppenhaus. Katis enervierendes Geschwafel. Unsere Männerabende auf der Terrasse. Das süße kleine Gesichtchen von Philipp, wenn er mir die Tür aufmachte und mich mit seinen zwölf Kilo purer Liebe ansprang. Und Ute. Ich vermisste Ute. Unsere Gespräche. Ihr Lachen, wenn ich wieder einen unpassenden Witz machte. Oder ihre Wutanfälle, bei denen ihre Augen so schön funkelten. Nicht zu vergessen den unglaublichen «Ute-Duft» im Treppenhaus, der sich erst vor meiner Wohnung verflüchtigte.
    Ich wurde immer niedergeschlagener. Einerseits war ich erleichtert, diese Gedanken zulassen zu können, andererseits ärgerte ich mich. Immerhin war sie der Grund dafür, dass ich mich ins Exil begeben hatte. Sie und dieser blöde Apotheken-Kaputtnik.
    Eines Tages wachte ich mal wieder völlig verkatert auf und stellte resigniert fest: Mission impossible. Ich musste nach Hause. Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, da klingelte mein Telefon.
    «Kriminalpolizei Essen, Hauptkommissar Tiltmann. Spreche ich mit Atze Schröder?»
    Mein Gehirn ratterte los. Ach du Scheiße, ich wusste es doch: Steelener Straße, 243 Stundenkilometer in der Siebziger-Zone. Dann war das wohl doch nicht die Weihnachtsbeleuchtung gewesen. Hätte mich auch gewundert,

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