Und dann kam Ute (German Edition)
rappelvoll.
Bettina hatte mich zur Einweihung eingeladen und sich angeboten, mir einen Lufthansa-Flug zu buchen. Die Airline fliegt jeden Sonntag um zehn Uhr von Frankfurt nach Accra, der Hauptstadt von Ghana. Der Flug dauert sechseinhalb Stunden, und man landet am späten Nachmittag um 16.30 Uhr.
«Pass auf, meine kleine blonde Basmatidattel, gut gemeint, aber behalt du mal dein Geld. Ich buche selber, und mit der gesparten Kohle baust du einen neuen Staudamm», sagte ich ihr. Und dann buchte ich meinen Flug selber. Ich fand eine supergünstige Verbindung nach Accra – mit Angola Air. Jawoll, Angola Air. Wer jetzt denkt: «Um Himmels willen, ist das denn nicht gefährlich?», dem kann ich nur sagen: «Nee, gar nicht, das ist eher hochgefährlich. Und lebensmüde.»
Die einzige Maschine dieser Möchtegern-Airline ist eine Iljuschin 76 aus russischer Produktion. Die «76» ist nicht nur die Typenbezeichnung, sondern leider auch das Jahr der letzten öffentlichen Rückrufaktion für diesen Mängelbomber.
Nichts für schwache Nerven. Als ich in Frankfurt in den Poppnietencontainer einstieg, bog ich erst mal Richtung Cockpit ab und fragte den Piloten: «Alter, weiß Ikarus, dass du es noch mal probierst? Fliegst du auf H-Kennzeichen, oder hast du eine Tageszulassung?»
Aber ich hatte den Freunden von Angola Air unrecht getan: pünktlicher Start am Sonntagmorgen in Frankfurt, pünktliche Ladung 16.30 Uhr in Accra. Leider erst den Montag darauf. Bei Angola Air bedeutet nonstop: Frankfurt–Antalya–Belek–Oslo–St. Petersburg–Accra.
Aber es gab auch gute Seiten. Zum Beispiel kann man sich bei Angola Air schon in der Maschine an die klimatischen Bedingungen des Reiselandes gewöhnen. In dem russischen Kirmesflieger herrschten 60 Grad Raumtemperatur bei hundert Prozent Luftfeuchtigkeit. Sozusagen als Serviceleistung an Bord, neben der kochend heißen Cola-Dose unterm Sitz. Mann, war das heiß in dem Wellblechjumbo! Im Prinzip war das ein Tropengewächshaus mit Flügeln. Wenn man in die Ecke spuckte, stand da eine Stunde später schon eine Hecke. Und es wurde ordentlich gespuckt.
Dann endlich die Landung in Accra.
Man hört ja immer, dass der Afrikaner als solcher so unglaublich herzlich sei. Ich hatte es selber noch nicht erlebt, ich war ja noch nie in Afrika gewesen.
Aber es stimmt. Die Afrikaner bestehen fast nur aus Herz. Schon in der Ankunftshalle wird gedrückt, geknutscht, getanzt, gefummelt – auch in den Taschen, aber immer mit unbändiger Freude und guter Laune. So weit die Begrüßung am Flughafen – aber wir mussten ja noch mal eben 350 Kilometer durch den Busch zu unserem Kinderkrankenhaus fahren. 350 Kilometer Luftlinie. Und von ordentlichem Asphalt und edlem Bitumen war hier in Afrika keine Spur. Der Fahrer des verbeulten Opel Senator blieb gelassen, offenbar kannte er eine Menge Abkürzungen. Mann, ist der Typ durch die Wildnis gebrettert! Ich bin sicher, dass er entfernt mit Sebastian Vettel verwandt war, so wie der durch die Kurven flog. Wir waren überwiegend quer unterwegs, selbst auf gerader Strecke, und der Kofferraum bog eher um die Ecke als die Vorderreifen. Als wir fünf Stunden später endlich im Dorf ankamen, klebten mehr Insekten tot auf den Seitenfenstern als auf der Windschutzscheibe. Mir war so schlecht!
Zur Begrüßung wollte ich erst mal ein gepflegtes Kötzerchen in den einzigen Strauch auf dem Dorfplatz verklappen, aber da wurde ich schon von hundert Händen hochgehoben und in zwei Meter Höhe durchs Dorf getragen. Welch eine Lebensfreude! Gutturallaute, glucksendes Gelächter und geheimnisvolle Voodoogesänge! Ich hatte das Gefühl, in einer komplett anderen Welt gelandet zu sein. Es ist eine erstaunliche Erfahrung, wenn man als einziger Weißer allein unter Schwarzen ist. Da kriegt man eine Ahnung davon, was es heißt, wegen seiner Hautfarbe angestarrt zu werden. Ich kam mir vor wie die Slipeinlage von Bruce Darnell: feucht, heiß und von Schwarz umzingelt. Jetzt ist das in Ghana so: Man kann nicht einfach in so einem Dorf rumrennen und den Ziegen den Sand wegfressen. Man muss erst mal dem örtlichen Chief seine Aufwartung machen.
Der Chief war eine imposante, würdevolle Erscheinung. Ich war von der ersten Sekunde an sein Fan. Voller Nächstenliebe teilte er mir mit, er habe gebetet, dass es bei meinem Besuch nicht so heiß würde, und er sei stolz, dass es geklappt hätte. Angesichts der herrschenden 45 Grad im Schatten verkniff ich mir einen Kommentar. Ich
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