Und dann kusste er mich
der herrlichen Umgebung, des schönen Brautpaars und der eleganten Gäste war die Atmosphäre spürbar gedämpft, und die Tanzfläche blieb – für uns am schlimmsten – nach dem ersten Tanz enttäuschend leer. Wann immer mein Blick auf D’Wayne fiel, der am Bühnenrand stand, zuckte dieser nur wenig hilfreich die Achseln. Tom hielt sich sowieso schrecklich zurück, und Jack und Charlie trugen beide dieselbe Gewittermiene zur Schau. Dennoch gaben Wren und ich wei terhin unser Bestes, lächelten und tanzten ohne Unterlass.
»Warum hat niemand getanzt?«, fragte Jack an D’Wayne gewandt, als wir uns, während das Büfett gestürmt wurde, am Bühnenrand versammelten.
»Versteh ich auch nicht«, erwiderte er. »Als ich den Gig gebucht habe, waren Braut und Bräutigam überzeugt, dass ihre Gäste die ganze Nacht hindurch tanzen würden.«
»Tja, Fehlanzeige«, bemerkte Wren. Sie stieg aus ihren unmöglich hohen goldenen Paillettenschuhen und rieb sich die schmerzenden Füße. »Ich kam mir da oben völlig bescheuert vor, wie ein blöd vor sich hingrinsender Idiot.«
»Achtung.« Jack nickte in Richtung des Bräutigams, der geradewegs auf uns zusteuerte. »Das könnte interessant werden.«
»Hey, Leute, das tut mir echt leid. Keine Ahnung, was mit unseren Gästen los ist. Karen ist richtig niedergeschlagen.«
Aufmunternd lächelte ihn Charlie an. »Nur keine Panik, Josh. Das passiert manchmal.«
»Können wir irgendwas tun?«, fragte D’Wayne.
Josh zuckte die Achseln. »Ihr seid großartig. An euch liegt es nun wirklich nicht.«
Tom beschloss, Klartext zu reden: »Vielleicht passt die Setlist nicht zu den Gästen. Gibt es irgendwelche Songs, die Sie und Ihre Freunde mögen?«
Josh dachte kurz nach. »Ich bin ein Fan von Bon Jovi«, gestand er. »Meine Kumpel ziehen mich ständig damit auf.«
Tom, Jack und Charlie tauschten einen Blick. »Wren, glaubst du, du kriegst ein bisschen Klassikrock hin?«
Wren kicherte. »Ihr ganzes Repertoire war das, was ich als Erste spielen gelernt habe. Mein Basslehrer war besessen von Bon Jovi.«
Mit spitzbübischem Lächeln wandte sich Charlie mir zu, was mich für einen Moment total verwirrte. »Schaffst du das, Rom?«
Bisher hatte es nie eine gute Gelegenheit gegeben, den anderen zu beichten, dass ich sämtliche Bon-Jovi-Songs (dank meiner Brüder, die als Jugendliche kaum etwas anderes gehört haben) in- und auswendig kannte, und jetzt schien der dafür geeignete Moment gekommen zu sein. »Kein Problem. Nenn mir einen Song, und ich singe ihn.«
Und so spielten wir Bon Jovi. Der Saal erwachte zum Leben, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Begeistert erhoben sich die Gäste von ihren Stühlen, auf denen sie bisher wie festgeklebt gesessen hatten, stürmten die Tanzfläche und rockten los, was das Zeug hielt. Irgendwann während »Living On a Prayer« tanzte Tom, der die unerwartete Möglichkeit, ein radikales Achtzigerjahreset zu spielen, sichtlich genoss, auf mich zu und brüllte: »Das ist der beste Gig seit Ewigkeiten!«
Es war schön zu sehen, wie Tom aufblühte, und überhaupt ging nun ein Ruck durch die Band. Das Gefühl, mit dem Publikum verbunden zu sein, war wunderbar und absolut unvergleichlich. Der Funke sprang über, und Band und Publikum fühlten sich gleichermaßen beflügelt. Am Ende des Abends gab es überall im Saal nur lächelnde Gesichter – vor allem bei Karen und Josh, dem strahlenden Brautpaar.
»Das war klasse«, sagte Jack später, als er mit mir die Mikrofonkabel aufrollte. »Wer hätte gedacht, dass Bon Jovi das Potenzial hat, einen Hochzeitsgig zu retten?«
Ich lachte. »Ich kann’s gar nicht glauben, dass wir drei Zugaben geben mussten. Drei! Wann hatten wir das zuletzt?«
»Hm … nie !«, meinte Wren. »Ich glaube, wir sind geschäftlich auf dem falschen Dampfer. Wir sollten eine Bon-Jovi-Tribute-Band gründen.«
»Wer weiß«, meldete sich D’Wayne zu Wort. »Ich habe heute Abend etliche Visitenkarten verteilt. Ich fürchte, ihr seid für den Rest Eures Lebens auf Partys und Hochzeiten abonniert.«
»Vielleicht sollten wir es uns zur Regel machen, das Brautpaar vorher nach seinen Lieblingssongs zu fragen«, schlug ich vor. »So eine lahme Sache wie zu Beginn des Abends will ich nicht noch einmal erleben. Das war grauenhaft.«
»Amen.« Charlie hatte seine Schlagzeugkisten zum Rand der Bühne gebracht und sprang nun hinunter, um die Kisten zum Notausgang im hinteren Bereich des Saals zu schleppen.
»Lassen wir den Abend mal
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