und das geheimnisvolle Erbe
Täte Gallery, St. Paul’s Cathedral sowie weiteren Museen und Denkmälern, die keiner weiteren Erklärung bedurften. Als mir nichts mehr einfiel, schraubte Bill den Füller zu und steckte ihn zusammen mit dem Notizbuch wieder ein.
»Wir werden sehen, was sich machen lässt«, sagte er.
Ich unterdrückte ein Gähnen. »Vielleicht warten wir lieber bis morgen, ehe wir mit allem anfangen.
Ich leide schon jetzt unter Jetlag.«
»Das ist doch nicht dein erster Überseeflug?«, fragte Bill.
»Natürlich nicht«, sagte ich. »Aber jetzt fang bloß nicht davon an. Ich habe mit meinen Anhal-tergeschichten schon die stärksten Männer bis zum Weinen gelangweilt.«
Er zog ein großes weißes Taschentuch aus der Brusttasche und sah mich erwartungsvoll an.
»Also wäre dies mein vierter Besuch in London«, schloss ich. »Der erste war im Sommer nach meinem ersten College-Jahr. Damals blieb ich eine Woche und übernachtete in meinem Schlafsack auf dem Fußboden einer Wohnung, die zwei Ty-pen gehörte, die ich auf der Straße kennen gelernt hatte. Das zweite Mal war ich mit meinem Ex-Mann dort. Da hatte ich schon genug vom Schlafen auf dem Boden, und wir mieteten ein Zimmer in einer Bed-and-Breakfast-Pension. Es war aber eins dieser typischen, furchtbaren Häuser in Earl’s Court, mit einem Zimmer, das auf einen Güter-bahnhof hinausging, und einem Fenster, das nicht schloss. Die Matratze hing in der Mitte so stark durch, dass ich so gesehen doch wieder auf dem Boden schlief.«
»Du machst Witze«, sagte Bill. »Zumindest über-treibst du.«
»Nein, wirklich nicht. Ich musste mein Bein über die Bettkante hängen, um nicht in die Mitte zu rollen. Aber wir lernten schnell. Als wir das nächste Mal in England waren, nahmen wir ein Zimmer in einer ruhigen und sauberen Pension in Sussex Gar-dens. Es hatte sogar ein Badezimmer auf dem Flur, und wir dachten, wir seien im Himmel.« Ich lehnte den Kopf zurück.
Bill tat, als ob er sein Taschentuch auswränge, ehe er es wieder einsteckte.
»Wo wohnen wir dieses Mal?«, fragte ich und schloss die Augen.
»In einem Hotel«, sagte er. »Wo Vater und ich wohnen, wenn wir in London zu tun haben. Übrigens hatte Dimity es uns empfohlen. Es ist ganz nett. Ruhig und sauber.«
10
Als der livrierte Portier herausgestürzt kam, um die Türen unserer Limousine aufzureißen, kam mir der Verdacht, dass Bill gründlich unter-trieben hatte. Und als ich unter der ehrwürdigen, tannengrünen Markise des Flamborough Hotels stand, wurde aus dem Verdacht Gewissheit, und ich geriet einen Moment lang in Panik. Hier war ich, in Jeans – in neuen Jeans zwar, aber trotzdem immer noch Jeans –, und schickte mich an, eines der feins-ten Hotels in England zu betreten. Mein Aufzug würde wahrscheinlich die Augenbrauen der Stammgäste überstrapazieren.
»Sauber und ruhig, was?«, sagte ich leise zu Bill.
»Sogar mit privatem Badezimmer«, sagte Bill ebenso leise.
»Oh, toll. Dann kann ich mich ja wie zu Hause fühlen.« Ich wandte meine Augen ab, als man meine schäbigen Segeltuchtaschen aus der Limousine nahm, denen weitere, mir unbekannte dunkelblaue Segeltuchtaschen folgten. Bill sah, dass sie meine Aufmerksamkeit erweckt hatten.
»Gefällt dir mein neues Gepäck?«, fragte er, als wir in die Lobby traten. »Tolles Zeug, Segeltuch.
Strapazierfähig, leicht, gut zu reparieren …«
Ich stöhnte leise. Anscheinend hatte Bill seine Taktik wieder geändert. Der liebenswürdige Reise-gefährte war wieder dem Clown gewichen, und ich konnte nichts dagegen machen – außer mich innerlich zu wappnen gegen das, was er sich hier in London an Überraschungen ausgedacht haben mochte.
Bill führte mich zu einem Sessel, und während ich darin versank, ging er zur Rezeption. Schüchtern sah ich mich in meiner Umgebung um. In der Eingangshalle war alles aus Messing und Holz, und überall standen hohe Farne, die Türen waren noch höher, und in diskreten Nischen waren zierliche Schreibtische untergebracht. Gruppen aus tiefen Sesseln bildeten hier und da Sitzinseln, Pagen in perlgrauer Livree standen zu Diensten. Alte Damen, behängt mit ebenso alten Pelzstolen, saßen und standen herum, sie trugen breite Perlenhalsbänder, und auf ihrem Silberhaar thronten winzige Hüte.
Die alten Damen unterhielten sich mit ebenso alten Herren. Ich kam mir vor wie ein Gänseblümchen in einem Wald von stattlichen Eichen, und ein ziemlich schlappes Gänseblümchen obendrein. Als Bill zurückkam, war ich erleichtert;
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