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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Welt. Wenn jemand außer ihm selbst einen Termin hatte, war das völlig neben-sächlich, und mit Ideen war es genauso: nur die von Evan waren »wichtig«. Als er eines Tages im Lese-saal sogar im Zusammenhang mit seiner Wäsche das Wort »wichtig« fallen ließ, lachte ich ihm ins Gesicht. Es verunsicherte ihn nicht im Geringsten.

    Stattdessen erklärte er mir in ganz einfachen Worten, die sogar ich verstehen konnte, warum das Waschen seiner Wäsche ein Dienst an der Mensch-heit sei. Ich schaute angelegentlich die Fettflecken auf seiner Krawatte an und sagte, dass er ganz Recht habe, aber auch dieser Hieb prallte an ihm ab. Er schloss daraus lediglich, dass ich ihn endlich verstanden hätte.
    Und wie er es liebte, Menschen aufzuklären! Er pflegte sich mit emotional verkümmerten Studenten zu umgeben, die an seinen Lippen hingen, was na-türlich sein Selbstwertgefühl als menschenfreundli-cher Mentor noch weiter aufblähte und sein Ego stärkte. Kurz und gut, er war nicht nur ein normaler, unsympathischer Angeber, sondern ein ekelhaf-ter Schleimer. Leider hatte ich nicht die Gelegenheit, Bill etwas davon zu sagen, als ich im Foyer der Tate Gallery Evans Stimme hörte, die meinen Namen rief.
    »Lori? Lori Shepherd?«
    Ich hätte den Kopf eingezogen und wäre zum Ausgang gestürzt, aber da schüttelte Bill schon Evans Hand, eifrig bemüht, einen weiteren Freund von mir kennen zu lernen.
    »Was für eine Überraschung«, sagte Evan.
    »Du sagst es«, murmelte ich.
    »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.« Evan sah Bill an. »Ich bin Dr. Evan Fleischer. Sie können mich Evan nennen, wenn Sie möchten, obwohl ich natürlich Dr. Fleischer vorziehe. Lori und ich sind alte Freunde.«
    »Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Dr. Fleischer«, sagte Bill. »Mein Name ist Bill Willis. Lori und ich sind …«
    »Ich bin sicher, Evan hat jetzt keine Zeit zum Plaudern«, unterbrach ich.
    »Wie wahr«, sagte Evan. »Ich präsentiere diesen Samstag im Britischen Museum eine wichtige Arbeit über Dostojewskis Gebrauch des Patronymi-kons. Ich bin sicher, Sie würden meine Thesen auf-schlussreich finden, wenngleich vielleicht auch ein wenig kompliziert. Ich finde es immer schwer, für ein allgemeines Publikum zu schreiben, wissen Sie, weil …«
    »Wie schade«, sagte ich. »Wir reisen nämlich am Samstag schon ab.«
    »Wohin geht’s denn?«
    Bill, fest entschlossen, diesen Typ sympathisch zu finden, trompetete: »Wir werden einige Zeit in einem Häuschen in den Cotswolds wohnen, in der Nähe eines Dorfes namens Finch.«
    »Wollten wir nicht unsere Pläne ändern?«, fragte ich Bill eindringlich.
    »Was für eine Änderung?«
    »O nein, bleiben Sie bloß bei Ihrem Vorhaben!«, rief Evan aus. »Es ist eine faszinierende Gegend. Ich kann es ganz bestimmt einrichten, dass ich Sie dort besuche. Es ist mir immer eine besondere Freude, wenn ich Ausländern mein umfangreiches Wissen über diese herrliche Insel zur Verfügung stellen kann.« Da Evan in Brooklyn, New York, geboren und aufgewachsen war, fand ich es reichlich anma-
    ßend, dass ausgerechnet er in diesem Land von
    »Ausländern« sprach.
    »Es wäre mir lieber, wenn du nicht kämst«, sagte ich. »Wirklich, Evan, ich werde schrecklich viel zu …«
    »Es wäre mir ein Vergnügen.« Er sah auf die Uhr.
    »Ich würde euch sehr gern noch mehr über meinen Vortrag erzählen, aber ich habe ein paar wichtige Verabredungen.«
    »Musst du deine Wäsche abholen?«, fragte ich.
    »Nein, das habe ich bereits heute früh erledigen lassen«, erwiderte er. »Aber jetzt muss ich mich wirklich beeilen. Wo wohnt ihr?«
    »Im Flamborough«, sagte Bill.
    »Ich melde mich.« Während er auf den Ausgang zuging, sah ich Bill böse an.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Nichts Besonderes«, sagte ich. »Nur dass du uns zu einem Besuch von einem der widerwärtigsten Geschöpfe verholfen hast, die auf dieser Erde he-rumlaufen. Wenn er sich einmal eingenistet hat, werden wir ihn nie wieder los. O Gott«, stöhnte ich, »vielleicht kommt er sogar auf die Idee, uns seinen Vortrag halten zu wollen.«
    Bill hatte immerhin den Anstand, ein schuldbewusstes Gesicht zu machen. »Ich fand ja auch, dass er ein ziemlich arroganter Kerl war, aber …«
    »Ich weiß. Aber du dachtest, er sei ein Freund von mir.« Ich seufzte und nahm seinen Arm, »Ach, komm schon. Während wir uns William Blakes Visionen der Hölle ansehen, erzähle ich dir von ihm. Nach einer Begegnung mit Evan werden diese Gemälde geradezu beruhigend

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