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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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sein.«

    Bill machte alles wieder gut, indem er am nächsten Tag in meiner Suite erschien und so viel feinste schottische Wolle angeschleppt brachte, dass Megs Stricknadeln mindestens einen Winter lang beschäftigt sein würden. Ich war beeindruckt und musste zugeben, dass er noch weitaus aufmerksamer war, als ich es für möglich gehalten hatte.
    Ich kaufte ein paar Dinge, denen ich nicht widerstehen konnte – zwei Pullover, ein oder zwei Bü-
    cher –, und andere Dinge, bei denen ich gar nicht erst versuchte zu widerstehen. Eine Taschenlampe zum Beispiel. Und ausgerechnet bei Harrod’s. Und ich sorgte auch dafür, dass ich nicht ohne einen nagelneuen Schirm in den Zoo ging. Selbst bei meinen Einkäufen waren Dimity und meine Mutter nie sehr weit weg.

    Im Geiste sah ich sie, wie sie sich eine Tüte Pommes frites teilten, zusammen Rad fuhren und sich bei Bombenangriffen in einen Keller retteten.
    Als ich am Themseufer entlangspazierte, ließ ich die Hand über die Wände der Gebäude gleiten, die immer noch Spuren von Granatsplittern trugen, und versuchte mir vorzustellen, wie sich das Brummen der nahenden Flugzeuge angehört haben mochte. Oder wie es sich anfühlte, wenn eine Bombe einschlug und der Bürgersteig erzitterte. Einmal, als wir am Hyde Park vorbeifuhren, hatte ich eine Vision: Schützengräben und aufgestapelte Sandsä-
    cke verunstalteten den Rasen, und in der Ferne waren reihenweise runde, spitz zulaufende Zelte errichtet. Das Bild stand so lebhaft vor mir, dass ich Paul bat anzuhalten, aber noch ehe er einen geeigneten Platz gefunden hatte, war es verschwunden und die Tommys in den Stahlhelmen waren wieder zu gewöhnlichen Londonern geworden, die wie jeden Tag zur Mittagszeit friedlich ihren Geschäften nachgingen.
    Seit ich die Briefe gelesen hatte, war der Zoo für mich zu einem geradezu mythischen Ort geworden
    – vielleicht erwartete ich unbewusst, dass ich eine Plakette vorfinden würde zur Erinnerung an den Tag, an dem sich Beth Shepherd und Dimity Westwood hier kennen lernten. Deshalb hatte ich mir diesen Besuch bis zuletzt aufgehoben. Natürlich war es eine gewisse Enttäuschung, ihn im Sonnenschein und voller lebhafter Kinder zu sehen.
    Bill hatte es organisiert, dass ich mit einem der Zoowärter sprechen konnte, der im Krieg dort gearbeitet hatte. Es war ein älterer Mann mit rosigem Gesicht namens Ian Bramble. Wir saßen mit ihm am Grand-Union-Kanal, und als ich ihn fragte, wie es damals im Zoo ausgesehen habe, seufzte er.
    »Es war traurig«, sagte er. »Schrecklich traurig.
    Die Arbeit machte mir überhaupt keinen Spaß mehr. Weit und breit keine Kinder, und alles war verbarrikadiert.« Er nahm eine Hand voll Mais aus der Hosentasche und streute die Körner den vor-beiwatschelnden Enten hin. »Es war eine merkwürdige Zeit. Die Leute hatten Angst, dass die Bomben in der Nähe der Löwenkäfige einschlagen könnten und die Löwen womöglich freikämen und auf der Straße herumspazieren würden, dabei hatten sie doch schon genug Sorgen, auch ohne Löwen. Also haben wir die Löwen eingeschläfert, aber auch andere Tiere. Obwohl sie kerngesund waren. So etwas erzählen wir den Kindern nicht, wissen Sie, aber vielleicht sollte man es tun. Ich denke manchmal, dass es ganz gut wäre, wenn sie wüssten, dass der Krieg kein Zuckerschlecken ist.«

11
    Paul war zu jung für die Armee gewesen.
    »Natürlich wollte ich unbedingt eingezogen werden«, erzählte er. »Ich habe denen das Blaue vom Himmel vorgeschwindelt und mir mit Schuhwichse einen Schnurrbart angemalt. Aber die sagten nur, ich soll nach Hause gehen und mir das Gesicht waschen.«
    Wir fuhren eine enge, gewundene Straße entlang in Richtung Finch. Einen Tag nach unserem Besuch im Zoo hatten wir am Spätnachmittag London verlassen. Ich wollte eigentlich früher abfahren, aber Bill war wieder einmal verschwunden, um irgend-welche geheimnisvollen Vorbereitungen zu treffen, und erst nach dem Tee wieder aufgetaucht.
    »Deshalb bin ich oft zum Flamborough gegangen«, fuhr Paul fort. »Der Barkeeper war ein Freund von mir, und ich hing dort herum und hörte den Jungs zu. London wurde so stark bombardiert, dass es gut tat, wenn man auch mal hörte, dass wir’s den Deutschen heimzahlten. Finch müsste gleich zu sehen sein, Miss.« Ich hatte versucht, Paul die »Miss Shepherd« abzugewöhnen, aber ihm waren die Benimmregeln der alten Bedienstetenschule so gründlich eingetrichtert worden, dass »Miss«

    das Äußerste war, wozu er sich

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