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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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darf nicht zu spät zum Botschafter kommen.« Er bot an, unsere Taschen nach oben zu tragen, aber wir versicherten ihm, dass er für heute mehr als genug getan habe, und begleiteten ihn zum Auto. Als er weggefahren war, drehte ich mich in der klaren Nachtluft um und warf erneut einen Blick auf das Haus.
    Das Gefühl der Vertrautheit war überwältigend.
    Dort war die schattige Gruppe von Eichen, und dort das Spalier, das von blühenden Kletterrosen überwuchert war. Alles war am richtigen Platz, und das Ganze fügte sich zu einem Bild zusammen, das mir in der Erinnerung so klar vor Augen stand wie das Mietshaus, in dem ich aufgewachsen war. Vielleicht hätte ich die ganze Nacht dort gestanden, in mein Déjà-vu versunken, aber das Knirschen von Bills Schuhen auf dem Kies erinnerte mich daran, dass ich nicht allein war. Er bot mir seine Jacke an, und dankbar zog ich sie um meine Schultern.
    »Du scheinst sehr weit weg zu sein«, sagte er leise.
    »Millionen Jahre weg«, erwiderte ich versonnen.
    »In einer der Geschichten meiner Mutter kommt ein Haus genau wie dieses vor. Ich habe das Gefühl, als wäre ich schon mal hier gewesen.«
    »Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man erlebt, wie ein Märchen aus der Kindheit plötzlich lebendig wird.«
    »Hmm.« Ich nickte geistesabwesend. »Ich hatte nach dem Zoobesuch ein bisschen Angst. Davon gab es ja auch eine Geschichte, und darin klang es ein bisschen wie … wie Disneyworld. Doch so konnte es doch gar nicht gewesen sein – wenigstens nicht damals im Krieg. Aber das Haus ist genau, wie es sein soll.«
    »Wie sie es versprochen hat«, murmelte Bill.
    Es war ein merkwürdiger Kommentar, aber ich achtete nicht darauf. Ich war schon auf dem Weg zur Tür, neugierig, ob das Haus von innen der Geschichte ebenso entsprechen würde wie von außen.

    Bill folgte mir in den Flur, dann blieb er stehen. Er deutete auf den Stuhl neben der Garderobe. »Ich warte hier. Geh voraus und sieh es dir allein an.«
    »Macht es dir nichts aus?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist deine Geschichte.«
    Ich suchte in seinem Gesicht nach Spott, aber ich fand ihn nicht.
    »Ich bin gleich zurück.« Ich gab ihm die Jacke zurück und ging durch den Flur.
    Die beiden vorderen Räume im Erdgeschoss waren das Wohnzimmer und das Esszimmer. Hinter dem Wohnzimmer war ein Arbeitszimmer, dessen Fenster nach hinten hinausgingen, und daneben war ein entzückendes kleines Gästebad, sehr feminin mit Lavendelseife und gerüschten Vorhängen ausgestattet. Ich hielt normalerweise nicht viel von Rüschen, aber hier hätte ich mir nichts anderes vorstellen können.
    Nach meinem schnellen Rundgang kehrte ich in das Wohnzimmer zurück, um mich näher darin umzusehen. Erst konnte ich keine Anzeichen einer Renovierung entdecken, von der Willis senior gesprochen hatte, aber dann sah ich einen Fernseher und eine moderne Hi-Fi-Anlage, die in einem Einbauschrank verborgen waren. Um diese Neuerun-gen unterzubringen, hatte man zweifellos das Zimmer vergrößern müssen, aber selbst jetzt hatte ich keine Schwierigkeiten, mir Tante Dimity vorzustellen, wie sie hier vor dem Kamin saß, ihr Butterbrot aß und ihren Tee trank.
    Das Zimmer war geräumig, aber mit den De-ckenbalken und tiefen Sesseln äußerst gemütlich.
    An mehreren Stellen standen Vasen mit Flieder, der den Raum mit Sommerduft erfüllte. Durch ein halbrundes Erkerfenster sah man auf den vorderen Rasen, und die Kissen auf der Bank in diesem Erker sahen genauso aus wie die Kissen in der Geschichte meiner Mutter.
    Oder doch nicht? Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte Tante Dimitys Kater doch eine Flasche Tinte über einem der Kissen ausgeschüttet (nachdem er den Farn zerkaut, die Tischbeine im Esszimmer zerkratzt und den Strickkorb umgeworfen hatte). Aha, dachte ich und fühlte mich sehr überlegen, jetzt habe ich dich. Das war also nur in der Geschichte vorgekommen. Ganz bestimmt …
    Nein, der Tintenfleck war doch da. Irgendjemand hatte mehrmals versucht, ihn zu entfernen, und im Laufe der Jahre war er verblasst, aber er war noch immer sichtbar, ein hartnäckiger blauer Fleck in der hinteren Ecke an der Wand. Ich betrachtete ihn, dann ging ich durch den Flur ins Esszimmer, um mir die Tischbeine dort anzusehen. Sie zeigten deutlich die Kratzspuren eines schlecht gelaunten Katers. Ich blickte über die Schulter zurück, denn fast erwartete ich, dass er durch die Tür geschlichen käme und sein Schälchen Sahne verlangen würde.
    Aber natürlich geschah nichts

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