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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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dergleichen. Zweifellos ärgerte der Kater seine Herrin jetzt in einer anderen Welt.
    Aber selbst ohne die Katze war das Esszimmer ganz und gar als das von Tante Dimity zu erkennen. Mit dem Kamin, dem Erker und den Einbauschränken war es spiegelgleich mit dem Wohnzimmer, nur dass die Einbauschränke hier verglast und mit Kristall und zartem Porzellan gefüllt waren. Eine Tür führte zur Küche, und hier entdeckte ich den ersten großen Unterschied zwischen dem Haus aus den Geschichten meiner Mutter und diesem hier. Ich merkte auch, dass Willis senior denselben Hang zur Untertreibung hatte wie sein Sohn.
    Von wegen »kleine Veränderungen«: Das hier war die bestausgestattete Küche, die ich je gesehen hatte, ein Wunderwerk der modernen Technik, das einfach alles enthielt, vom Mikrowellenherd bis zu den Saftspendern in der Tür des Kühlschranks. Ich öffnete die Türen und Schubladen, ließ die Hand prüfend über die Arbeitsflächen gleiten, und der erste klare Gedanke, den ich fassen konnte, war der: Dies ist eine Küche für jemanden, der nicht kochen kann.
    In anderen Worten, es war eine Küche, die auf mich zugeschnitten war, obwohl das ziemlich ab-wegig schien. Mein Ex-Mann war ein ebenso guter Koch gewesen wie meine Mutter, aber ich war viel zu zaghaft gewesen, um selbst kochen zu lernen.
    Aber selbst wenn Dimity etwas von meinen dürfti-gen Fähigkeiten gewusst hätte, so hätte sie die Kü-
    che doch nicht extra für mich ausstatten lassen.
    Schließlich war ich nur einen Monat lang hier. Es wird wohl eher so gewesen sein, dass Dimity Westwood ebenfalls eine miserable Köchin war.
    Das würde auch erklären, warum sie von Butterbrot und Tee gelebt hatte.
    Jedenfalls war ich kein bisschen enttäuscht, dass dieser Raum keinerlei Ähnlichkeit mit der primiti-ven Küche aus Tante Dimitys Haus hatte. Ich fand den Gedanken an eine offene Feuerstelle sehr romantisch, aber wenn ich darauf hätte kochen sollen, wäre ich verhungert.
    Eine zweite Tür führte in eine gut sortierte Speisekammer und eine kleine Abstellkammer, die dritte und letzte Tür führte in den Flur. Direkt gegen-
    über war das Arbeitszimmer, dessen Wände von Bücherregalen eingenommen wurden, und dahinter erstreckte sich ein heller Wintergarten über die ganze Breite des Hauses, der voller Farne war.
    Ich blieb stehen und musterte das Arbeitszimmer.
    Ein Stapel Papier lag auf dem Schreibtisch gegen-
    über den von Efeu umrankten Fenstern, und ich ging hinüber, um ihn mir anzusehen. Ich dachte, es könnte sich um Teile der Korrespondenz handeln –

    Briefe vielleicht, die zu den Geschichten passten –, aber es waren die Geschichten selbst. Sie waren von Hand auf feines, unliniertes Papier geschrieben. Die Titelseite ließ mich zusammenschrecken.
    »Loris Geschichten« , flüsterte ich. Es schien, als ob Dimity vorausgesehen hätte, dass ich meine Heldin nicht gern mit anderen teilen würde. Deshalb war dieser Titel ein Angebot, das mich beruhigen sollte: Egal, wie viel Verbreitung diese Geschichten im Laufe der Zeit finden würden, sie würden immer mir gehören. Meine Hände zitterten etwas, als ich den Stapel gerade rückte, dann sah ich zu den Bücherregalen hinüber – und fand den Briefwechsel. Mehrere der Borde waren mit Bü-
    chern gefüllt, aber der Rest der Bücherwand war Reihen von säuberlich beschrifteten Archivkästen vorbehalten. Das Reden über die Briefe, das Lesen, selbst das intensive Nachdenken darüber hatten mich nicht auf den Schock vorbereitet, sie jetzt zu sehen. Über vierzig Jahre aus dem Leben meiner Mutter waren hier in diesen Kästen eingefangen, bei deren Anblick mir leicht schwindlig wurde. Stan Finderman hatte einst etwas erwähnt, das er »das Geheimnis des handgeschriebenen Worts« nannte, und endlich verstand ich, was er gemeint hatte.
    Meine Mutter hatte diese Seiten berührt, und beim Anblick all der Briefe fühlte ich, dass sie zugegen war. Ich hätte am liebsten sofort einen der Kästen heruntergenommen, aber ich beherrschte mich.
    Jetzt noch nicht. Nicht, solange Bill dort draußen im Flur saß. Nach kurzem Überlegen nahm ich das Manuskript mit den Geschichten und ging zur Eingangstür.
    Bill war aufgestanden.
    »Gefällt es dir gut?«, fragte er.
    »Sogar noch besser«, lachte ich.
    »Und dabei hast du das Obergeschoss noch gar nicht gesehen.«
    »Du kannst mit nach oben kommen, wenn du willst«, bot ich an. »In den Geschichten geht Tante Dimity niemals nach oben, also darfst du ruhig dabei sein.

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