und das geheimnisvolle Erbe
Aufenthaltes hier nicht stören würden. Sollten Sie etwas benötigen, können Sie den Klingelzug in Ihren Zimmern betätigen, um jemanden von uns zu rufen.« Sie schwieg, und ihre braunen Augen verengten sich. »In MacLaren Hall ist nachts immer jemand wach. Gute Nacht.«
Gehorsam nickten wir; dann ging Bill in sein Zimmer und ich in meines. Fast erwartete ich, dass sich von außen ein Schlüssel im Schloss umdrehte.
Mrs Humes Worte hatten mehr wie eine Warnung als wie eine Einladung geklungen: Ihr seid unter Beobachtung, also bleibt in euren Zimmern. Unheimlich, aber auch aufregend. Irgendjemand wollte nicht, dass wir uns unbeaufsichtigt in MacLaren Hall bewegten.
Mein Zimmer strahlte mit seiner schulterhohen Holztäfelung, einer einzigen trüben Messinglampe und schweren viktorianischen Möbeln einen trost-losen Charme aus. Dunkelgrüne Samtvorhänge verwehrten den Blick nach draußen, und das stein-harte Bett war von einer grünen Brokatdecke bedeckt. Alles war jedoch blitzsauber und in gutem Zustand. Museumsstücke, dachte ich, als ich die schwarze Quaste am Klingelzug betrachtete. Als ich Mrs Hume genug Zeit gegeben hatte, um wieder nach unten zu gehen, schlich ich auf Zehenspitzen an Bills Tür und klopfte leise. Er machte auf, ergriff meinen Arm und zog mich ins Zimmer. Er schien etwas mürrisch.
» Watstiefel? Im Morgengrauen? Was hast du denn mit mir vor?«
»Nicht so laut.« Ich schob ihn ans andere Ende des Zimmers, wo wir uns auf ein niedriges dunkel-rotes Plüschsofa setzten. »Ich habe den Verdacht, dass Mrs Hume ein ausgezeichnetes Gehör hat.«
Er sah wütend auf die Tür, senkte aber die Stimme, als er weitersprach. »Lori, ich mache mich dort draußen doch lächerlich. Ich habe vom Angeln keine Ahnung.«
»Ich habe großes Vertrauen in deine Fähigkeit, so zu tun, als könntest du es«, sagte ich fröhlich. »Es kann nicht sehr viel schwerer sein, einen Angler zu imitieren, als einen Chauffeur zu spielen.«
»Bist du mir deshalb immer noch böse? Lori …«
»Ich bin überhaupt nicht böse. Du wirst eine wunderbare Figur beim Angeln abgeben. Mach es einfach wie Andrew und lass dir von Colin den Haken beködern. Und wenn ihr dort draußen seid, könntest du auch noch eine kleine Wanderung über das Grundstück vorschlagen, auf den Berg zum Falkennest beispielsweise.«
»Ich soll schon wieder wandern?« Bill stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich habe ja noch von Pouters Hill Blasen.«
»Dann zieh zwei Paar Socken an«, sagte ich entschieden. »Hör zu, Bill, du musst Andrew und Colin morgen so lange du kannst da draußen beschäftigen, damit sie nicht so schnell wieder ins Haus zurückkommen.«
»Erzähl mir nichts.« Bill hob den Kopf. »Und während ich in dem dunklen, tiefen Loch dort drau-
ßen ertrinke, suchst du hier drinnen nach dem – was immer es ist –, was Bobby Dimity hinterlassen hat.«
»Du hast gesehen, was Andrew mit dem Brief gemacht hat«, sagte ich. »Warum sollte er ihn verbrennen, wenn er uns die Wahrheit gesagt hat?
Es war unglaublich dumm, das zu tun, findest du nicht? Da hätte er doch gleich rufen können: ›Ich bin unschuldig‹, noch ehe wir ihn angeklagt haben.
Er musste doch wissen, dass er damit unser Miss-trauen weckt.«
»Ich glaube nicht, dass MacLaren besonders klar denkt«, sagte Bill. »Deshalb habe ich eine beglau-bigte Kopie machen lassen.«
»Was?«
»Nicht so laut«, sagte Bill, dessen gute Laune zu-rückgekehrt war. »Denk an Mrs Hume.«
»Du Schuft«, flüsterte ich. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Weil ich wollte, dass wenigstens einer von uns glaubwürdig reagiert. Ich bin Rechtsanwalt, also würde er es von mir nicht erwarten, aber …«
»Ach so, weil glaubwürdige Reaktionen mein Spezialgebiet sind. Vielen Dank.«
Bill streckte die Beine aus und stopfte sich ein Sofakissen mit Fransen in den Nacken. »Schon als ich am Telefon mit ihm sprach, dachte ich mir, dass irgendetwas mit dem Burschen nicht stimmt. Erst wollte er nichts mit uns zu tun haben, aber als ich den Brief erwähnte, konnte er uns nicht schnell genug hierher bitten. Das kam mir komisch vor. In Miss Kingsleys Büro stand ein Kopiergerät, und außerdem zählt es zu Miss Kingsleys vielen Vorzü-
gen, dass sie Notarin ist, also war es schnell getan.«
»Dann stimmst du mir zu? Du denkst auch, dass er etwas verheimlicht?«
»Ja, und nicht nur das. Ich glaube, es könnte etwas sein, das offen daliegt, und er fürchtet durchaus, dass wir es
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