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und das geheimnisvolle Erbe

und das geheimnisvolle Erbe

Titel: und das geheimnisvolle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Bobby. Erst als wir uns mit einem Whisky in die Bibliothek zu-rückgezogen hatten, ergab sich für Bill die Gelegenheit, die Sprache auf den Bruder des Hausherrn zu bringen. Auf dem Flug nach Schottland hatten wir ausgemacht, dass ich es Bill überlassen würde, die geeigneten Fragen zu stellen.
    »Wie ich bereits am Telefon erwähnte, Mr MacLaren«, fing Bill an, »haben wir etwas in Miss Westwoods Papieren gefunden, das uns neugierig gemacht hat.« Aus seiner Brusttasche zog er den Brief, den wir im Flamborough gefunden hatten, und gab ihn Andrew. »Der Umschlag war noch verschlossen, als wir ihn fanden. Wir hätten gern gewusst, ob die Angelegenheit, von der hier die Re-de ist, jemals geregelt wurde.«
    Andrew warf einen kurzen Blick auf den Brief.
    »Das wurde vor langer Zeit geregelt«, sagte er.
    Dann knüllte er ihn zusammen und warf ihn mit einer schnellen Handbewegung ins Feuer. Erschrocken wollte ich aufspringen, aber Bill bedeutete mir, sitzen zu bleiben, und fuhr fort, als sei nichts geschehen: »Darf ich fragen, worum es sich handelte?«
    »Ein Gegenstand, der ihm gehörte. Wie schon gesagt, die Sache ist seit Jahren erledigt.«
    »Das erleichtert mich sehr«, sagte Bill, scheinbar zufrieden. Er hob sein Glas gegen das Licht. »Und dieser Whisky ist aus der hauseigenen Brennerei?
    Wunderbar. Sagen Sie, benutzen Sie Eichenfässer zum Ablagern, oder ziehen Sie andere Holzsorten vor?« Mit unbeirrter Gelassenheit führte Bill das Gespräch auf einen langen Umweg, und bis er wieder bei Bobby angelangt war, hatte Andrew in ziemlich schneller Folge bereits drei Whiskys ge-trunken und war deutlich milder gestimmt.
    »War Bobby Ihr älterer Bruder?«, fragte Bill schließlich.
    »Zwei Jahre älter«, erwiderte Andrew. »Weitere Geschwister hatten wir nicht.«
    »Sie müssen sich sehr nahe gestanden haben.«
    »Das haben wir.« Verdrossen starrte Andrew ins Feuer, wie hypnotisiert von den tanzenden Flammen.
    Wie lange es wohl her war, seit er zum letzten Mal über seinen Bruder gesprochen hatte? Ich fragte mich, ob es eine Erleichterung für ihn bedeutete, Bobbys Namen auszusprechen, oder ob es ihm jedes Mal einen Stich versetzte. Wie viel Whisky würde er noch brauchen, bis er den Namen sagen konnte, ohne zusammenzuzucken?
    »Ich habe ihn verehrt«, fuhr Andrew fort. »Eigentlich wäre es verständlich gewesen, wenn ich ein wenig neidisch oder eifersüchtig auf ihn gewesen wäre, wo er doch der Ältere war und dazu noch gesund …«
    »Aber das waren Sie nicht?«, fragte Bill.
    »Es wäre mir nicht im Traum eingefallen.« Andrew leerte sein viertes Glas, dann stellte er es auf den Tisch neben seinem Sessel. »Sie müssen wissen, dass Bobby mich als völlig gleichwertig behandelte.
    Einmal trug er mich in die Berge hinauf, um mir ein Falkennest zu zeigen, und oft nahm er mich mit zum Angeln. Er lehrte mich, Fährten zu lesen, und brachte mir bei, Augen und Kopf zu gebrauchen, um die Schwäche meiner Beine zu kompensieren.
    Ich wäre noch jahrelang im Bett gelegen, wenn Bobby mich nicht nach draußen gelockt hätte, um mir die Welt zu zeigen.«
    »Er muss ein bemerkenswerter junger Mann gewesen sein«, sagte Bill.
    »Einen besseren hätte man sich nicht denken können. Und seltsamerweise schaffte er es, dass ich diese Umgebung hier viel mehr liebte, als er es jemals tat. Er war so lebensfroh, dass er in unseren kahlen Bergen Sehnsucht bekam … nach etwas an-derem. Nach etwas, das weniger karg war, das fröhlicher und heiterer war – so wie er selbst.«
    Andrew nahm das leere Glas und hielt es Bill hin, in dessen Reichweite die Karaffe stand.
    »Es muss schlimm für Sie gewesen sein, als er sich freiwillig meldete«, sagte Bill. Er reichte Andrew das halb volle Glas.
    »Er war zu jung, viel zu jung«, sagte Andrew mit bitterer Stimme. »Aber damals hat man solche Ent-scheidungen nicht lange in Frage gestellt. Man brauchte dringend Flieger, und er war ganz scharf darauf, also …«
    »… also nahm man ihn.«
    »Ja. Er war in Biggin Hill stationiert. Und Gott verzeih mir, ich war so stolz auf ihn. Es kam mir nie in den Sinn, dass er dabei umkommen könnte.
    Mein Bruder war jung und stark und unschlagbar.
    Er war …« Andrews Stimme versagte, doch nach einem weiteren Schluck Whisky hatte er sie wieder in der Gewalt. »Am neunten September 1940 wurde er über dem Ärmelkanal abgeschossen. Ein Kamerad sah, wie die Maschine auf dem Wasser auf-schlug, aber Bobbys Fallschirm hatte sich offenbar nicht gelöst, und seine

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