Und das Glück ist anderswo
bemerkte.
»Was ist los?«, fragte sie. »Du siehst so komisch aus.« »Das hat meine Mutter auch immer gesagt«, murmelte er. »Hast du schon als Baby so geschwitzt?«, bohrte Martha. Sie legte die Karotten auf die Bank und zupfte ein Blatt Petersilie für die miauende Katze aus dem Bund.
»Das hat Mieze immer gemacht, wenn ich uns Dill holte. Immer am Netz gezupft. Wie eine Meschuggene. Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt.«
»Du wärst der erste Mann, der sich mit einem Einkaufsnetz auf die Straße traut. Und wann hast du Dill geholt und wofür? Komm, Samuel Bronstein, du bist so weiß wie diese Hauswand und verwechselst Petersilie mit Dill, obwohl du mir erst vor zwei Tagen erzählt hast, dass du Dill nicht ausstehen kannst. Willst du mir nicht sagen, was los ist?«
Er dachte fieberhaft nach, welche kleine Unpässlichkeit ein Mann haben könnte, wenn er kalkweiß war und alle Engel im Himmel um eine Tarnkappe anflehte, weil er sich so genierte, dass er massierten Unsinn redete, doch ihm fiel keine Malaise ein, die zu seinem Teint gepasst hätte und die doch unbedeutend genug war, um Martha nicht aufzuregen. Er verfluchte die Intuition der Frauen, und er verfluchte die Liebe, die Männer weich macht, und am meisten verfluchte er die Intuition der liebenden Frau, die vor ihm stand und die er schützen wollte vor jedem Schmerz und jeder Angst und aller Not. Samys Arme wurden immer länger; weil er sie nach unten hängen ließ wie einer, den die Last seines Gewissens zu Boden drückt; er begann aufs Neue zu schwitzen. Einen Augenblick, der nicht ohne Verlockung war, kam ihm der Gedanke, er hätte vielleicht tatsächlich Fieber und könnte nicht fahren. »Was ist das?«, fragte Martha. Sie zeigte auf Samys rechte Hosentasche.
»Was ist was?«
»Als ich kam, hast du diesen Brief in deine Hosentasche gestopft. Und verdammt eilig, wenn du mich fragst. Vor allem nicht gründlich genug.«
»Ach den! Sag doch gleich, was du meinst. Das ist eine Mahnung. Vom Tierarzt. Verdammt eilig haben es die Leute heutzutage.«
Martha hatte nicht nur die Intuition einer liebenden Frau, die sich aus purer Gewohnheit Sorgen um ihren geliebten Partner macht. Sie war auch beherzt wie ein Ritter im Drachenkampf und so reaktionsschnell wie eine betrogene Frau, die ihren Mann in flagranti der ehelichen Untreue überführen möchte. Mit einem einzigen Griff, von dem Samy fand, er würde unangenehm geübt aussehen, holte sie den grauen Briefumschlag aus seiner Hosentasche. Wie zuvor ihm, fielen ihr zunächst nur die Briefmarken auf. »Seit wann«, fragte sie, »geht Mieze in Frankreich zum Arzt?« Beim letzten Wort erkannte sie Rose’ Schrift.
Martha las den Brief zweimal, ohne ein Wort zu sagen. Sie schüttelte nicht ihren Kopf, seufzte nicht und weinte schon gar nicht, wie er erwartet hatte. Sie drückte ihre Schultern nach hinten, und einmal runzelte sie die Stirn. »Das Kind ist schwanger«, sagte sie schließlich.
»Mal bloß nicht noch diesen Teufel an die Wand. Wie kommst du denn darauf?«
»Um Gottes willen, Samy. Muss man euch Männern denn alles sagen? Kann keiner von euch zwei und zwei zusammenzählen? Glaubst du wirklich, dass ein so schlankes Mädel wie meine Rose sich innerhalb von ein paar Monaten so viel Fett anfuttert, dass sie keine Taille mehr hat und nicht mehr in ihre Hose passt? Die schreibt uns doch, dass ihre Jeans nicht mehr zugehen, weil sie was ganz Bestimmtes sagen will. Glaub mir, sie ist schwanger. Hoffentlich war die Arme das nicht schon, als sie von zu Hause weglief. Dann wäre sie nämlich hochschwanger. Ich muss sofort Emil und Liesel anrufen. Wenn ich bloß wüsste, wie ich ihnen das alles beibringen soll. Am besten wir fahren zusammen hin. Ich kann ja den Fisch mitnehmen und ihn dort machen.«
»Bleib sitzen«, bat Samy. »Auf die Viertelstunde, die wir zum Nachdenken brauchen, kommt es ja auch nicht mehr an.« Er war nun ganz ruhig, tatsächlich wieder der schlaue Fuchs seiner Jugend, ein Mann, der überlegen war, weil er die Probleme gründlich überlegte. Auch wenn ihm nicht viel Zeit zum Denken blieb. »Rose«, erkannte er, »wird einen Grund gehabt haben, dass sie mir geschrieben hat und nicht ihren Eltern oder dir. Den sollten wir respektieren, selbst wenn wir ihn nicht verstehen. Jedenfalls noch nicht.«
Er war erleichtert, als er Martha nicken sah. Mit einer Hand streichelte er ihren Arm, mit der anderen die Katze, die sich auf seinen Schuh gelegt hatte. Als er wieder sprach, sah
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