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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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äußerst ungeeignet war und auf den trotzdem keiner der Erwachsenen verzichten mochte. Ebenso unweigerlich pflegte bei diesem Satz ein verdrossener Aus-druck das Gesicht der kleinen Liesel zu verdunkeln, wollte sie doch ein ganz gewöhnliches Mädchen aus Kenia sein, das keine alte Heimat hatte und schon gar keine Frauen in der Familie, die bei dem ungeliebten Wort gemeinsam seufzten.
    Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten schüttelte sich Liesel - als würde sie sich immer noch grämen, dass ihre Wiege nicht in Limuru oder Nairobi oder in Eldoret gestanden hatte. Laut sagte sie, fast entschuldigend: »Wisst ihr, das mit der Befreiung habe ich immer gesagt. Ich wollte unbedingt wie die anderen Mädchen reden. Völlig verrückt, wenn ich heute daran denke. Für mich war die Schule nämlich kein bisschen Sklaverei.«
    »Deswegen hast du ja auch kein Verständnis für deine arme Tochter«, warf ihr Rose vor, »die wäre vielleicht längst in Hollywood, wenn sie nicht eine Mutter hätte, die nicht von der Idee abzubringen ist, dass man auf einer Schule was lernen kann.«
    Der Vater des verhinderten Starlets ließ den Ford der Firma Safari Tours statt seiner lächeln. Er drückte anhaltend auf die Hupe. Dieser Vater, der seine Kinder nie hatte wissen lassen, dass auch er ein ausgezeichneter, mit Preisen bedachter Schüler gewesen war, war in jeder Beziehung von rascher Auffassungsgabe. Nicht nur, dass er beim Frühstück im New Stanley riesige Mengen von Mango und Papaya gegessen hatte, Früchte, die er in Hampstead noch nicht einmal als Obst erkannt hätte. Er rief allen Afrikanern, die ihn begrüßten, ein fröhliches »Jambo« zu. Nachdem Mister Procter, in London nur allenfalls am Wochenende mit dem Auto unterwegs, einhundertundvierzig Minuten am Verkehr in Kenia teilgenommen hatte, setzte er bereits auf die landesübliche Erkenntnis, dass anhaltendes
    Hupen die beste Art der Kommunikation mit Hühnern ist, mit Ziegen, buckligen Kühen, jaulenden Hunden und jubelnden, spärlich angezogenen Kindern. Die winkten jedem vorbeifahrenden Auto mit dem gleichen Enthusiasmus zu wie ihre Vorfahren in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Dauerhupen war auch die Sprache, auf die sich die Heroen geeinigt hatte, die riesige, schwankende Lastwagen mit den urwüchsigen Temperamentsausbrüchen von Männern steuerten, die ein persönliches Verhältnis zu den Maschinen pflegen, die sie sich untertan gemacht haben.
    »Warum tragen so viele Leute hier wollene Pudelmützen?«, fragte Emil. »Mir rinnt der Schweiß in Strömen, wenn ich sie sehe.«
    »Ich hab nicht den Schimmer einer Ahnung«, erwiderte Liesel, »das haben sie zu meiner Zeit nicht praktiziert.« Obgleich sie keinen Sinn für etymologische Feinheiten hatte, fiel ihr doch ihre übertriebene Sprache als die des ehrgeizigen Schulmädchens auf, das sie einst gewesen war. Sie hatte ihre Aufsätze immer mit schwer verständlichen Ausdrücken gespickt, die sie bewusst zu diesem Zweck zu sammeln pflegte.
    »Gespenster«, schauderte sie.
    Ihr Sohn jonglierte das Stichwort ins Netz. »Ich liebe Gespenster«, sagte er. Es kam nicht oft vor, dass David spontan auf irgendwelche Aussagen seiner Mutter reagierte, und noch seltener geschah es, dass er sich in Gegenwart seiner Schwester überhaupt zu einer Einverständlichkeit mit Frauen bekannte.
    »Du bist schon einer«, sagte Liesel, »immer gut für eine Überraschung. Wie dein Vater.«
    Nie hatte sie geglaubt, dass sie ihre alte Schule noch einmal sehen würde. Dieser Coup war Emil erst vor ein bisschen mehr als zwei Stunden gelungen. Erst beim Frühstück hatte er vorgeschlagen, auf dem Weg von Nairobi nach Londiani an Liesels alter Schule vorbeizufahren. »Schließlich haben wir einen Wagen gemietet, um uns solche Extratouren zu gönnen. Ich schleife doch unsere Brut nicht nur deshalb bis nach Afrika, damit sie eines Tages ihren Nachkommen erzählen kann, wie ihr Vater in einem Land, das sich solches nicht leisten konnte, Melkmaschinen an den Mann zu bringen versuchte, die keiner hier brauchte.«
    »Du wirst sehen, das Ganze wird eine Riesenenttäuschung. Deine Frau ist nicht der Typ, der seine alte Schule entert und sagt: Jambo. Hier bin ich. Hier war ich mal Schülerin und würde euch gern davon erzählen.««
    »Es gibt keine Enttäuschungen, wenn man auf der Suche nach sich selbst ist. Nur Entdeckungen.«
    »Du redest wie Hamlet.<«
    »Hoffentlich. Die gottesfürchtigen Menschen, die mich auf eine gute Schule

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