Und das Glück ist anderswo
seine Braut - im weißen Spitzenkleid, mit Schleier und Kranz - in sein Schloss und befragte sie nie nach ihrer Herkunft oder Religion. Selbstverständlich wollte Vicky in einer Kirche mit Tradition heiraten. Mit vergoldeten Engeln um den Altar.
»Wie wärs mit der Sixtinischen Kapelle?«, hatte die entsetzte Regina damals gefragt, aber Vicky hatte weder Sinn für Ironie gehabt noch je von der Sixtinischen Kapelle gehört.
»Bingo und Baxter sollten ihre beiden Hunde heißen«, murmelte Liesel. Sie schüttelte, genau wie damals, fassungslos den Kopf. »Das weiß ich noch wie heute. Mylady schwärmte für irische Setter. Na ja, die sind ja ebenfalls schön und dumm.« Sie kicherte so mädchenhaft verdrückt, als hätte sie die hübsche kleine Spitze, die sie seinerzeit nur zu denken gewagt hatte, nun endlich doch in Vickys
Gegenwart geäußert. Rose und David schauten zunächst ihre Mutter und dann - noch länger - einander verblüfft an. Ausnahmsweise waren sich die Geschwister mal einig, doch Liesel war zu tief in die Vergangenheit getaucht, um sich Gedanken über ihre Kinder zu machen.
Vicky, Fortunas verhätschelter Liebling, hatte als Erste der Clique geheiratet - tatsächlich in einer Kirche. Liesel kannte das Hochzeitsfoto. Sie knirschte mit den Zähnen, als sie in die Gegenwart zurückkehrte. Der kleine Schmerz tat ihr gut, relativierte die Geschehnisse und die Gedanken, machte ihr wieder einmal klar, wo Lebenswege enden, die zu Beginn ausschließlich durch das Paradies führen. Noch einen Augenblick wob sie weiter an der ausgefallenen Geschichte; animiert stellte sie sich einen englischen Pfarrer vor, der versuchte, den Namen der Braut auszusprechen: Vicky Sedlacek. Liesel prustete Heiterkeit. Wieder starrten sie ihre Kinder an. Emil nickte und lächelte. Es war eines der Charakteristika seiner Ehe, dass er immer im Bilde war, obwohl er es gar nicht sein konnte.
Vor einem Jahr hatte Liesels Mutter Vickys Eltern bei einer Barmitzwafeier in einem Hotel in Golders Green getroffen. In Kenia waren sie gut befreundet gewesen. Obgleich zwischen Kericho und Londiani mehr als fünfzig Meilen lagen, hatten die Familien einander öfters besucht. Sedlaceks hatten ihre gut gehende Teeplantage schon bei Ausbruch des Mau-Mau-Aufstands gegen die weißen Farmer aufgeben müssen. Sie trauerten nicht nur um sie, sondern um die Weite Afrikas und die fröhlichen Menschen in Kenia. Die beiden hatten zu den wenigen Emigranten aus Deutschland gehört, die in Afrika heimisch geworden waren. Bei der Tochter war das Leben lange Zeit optimal gelaufen. Ihr englischer Gentleman hatte enorme Besitzungen in Sussex. Das adelige Juwel liebte Pferde und ordentliche Männergespräche, züchtete Schafe und bekam alljährlich Preise für seine Rosen. Während ihrer ersten Schwangerschaft benannte der aufmerksame Gatte eine von ihm neu gezüchtete Fuchsrose nach seiner schönen Frau - drei Jahre nach der Geburt seines vierten Kindes ließ er sich scheiden. Selbst Vickys Mutter hatte ihre Tochter als eine enttäuschte, verbitterte und früh gealterte Frau geschildert, die ihre Kinder nur sah, wenn die auf dem Weg von ihren Internaten im Norden Englands zum Vater nach Sussex waren und bei ihr in London Station machten. Vater Sedlacek, einst bei den Emigranten in Kenia berühmt für seinen treffenden Witz, hatten die Trennung von seiner Farm und das Schicksal seiner Tochter schweigsam gemacht. Das jüngste Kapitel seiner Familienchronik pflegte er mit der Erkenntnis zusammenzufassen: »Das ganze verdammte Geld hat meiner Tochter nichts genützt. Wer ins Unglück fährt, braucht kein Billett erster Klasse.«
»Habe ich dir eigentlich je von Vicky erzählt?«, fragte Lie-sel ihren Mann. Es gelang ihr nicht zu deuten, weshalb ihre Zunge stolperte und ihre Hände feucht waren.
»Ist das die unterernährte Journalistin aus Deutschland, die dich mal besucht hat, als du mit David schwanger warst?«
»Sie war nicht unterernährt, sondern schlank. So schlank, wie deine Frau nie sein wird.«
»Wer immer es war, meine Frau gefällt mir besser. Heute, morgen und übermorgen. Merk dir das, Madam. Jetzt und für immer und ewig.«
»Du bist ein Schatz. Ich hab gedacht, nur Italiener können Komplimente machen.« »Wiener auch. Ich habe mir sagen lassen, die sind sogar weltberühmt für ihre Komplimente.«
»Ich wäre im Leben nie darauf gekommen, dass du dich für einen Wiener hältst.«
»Ich auch nicht. Vielleicht ist die Sonne in diesem Land doch
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