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Und das Glück ist anderswo

Titel: Und das Glück ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Kosmetikerin und ein grünes Seidenensemble bei Dickins and Jones gegönnt hatte, musste immer noch ihrem Gemüt gut zureden, wenn sie an die Geburtstagsreden und die Geschenke dachte. Nach einer unangenehmen Diät, zu der ihr Rose zugeredet hatte, und dem Verlust von sechs Pfund hatte sie auf wenigstens eine Bemerkung über ihr jugend-liches Aussehen oder das teure Kleid gesetzt. Und statt der riesigen Blumenbuketts, für die weder Vasen noch Platz im Hause waren und die schon nach zwei Tagen in Putzeimern und Waschschüsseln ihre Köpfe hängen ließen, hatte sie auf einige von den teuren Büchern über Astronomie und Archäologie gehofft, die sie sich schon seit langem wünschte. Ganz zu schweigen von dem hübschen Intarsientisch im Schaufenster von Selfridges, der den Couchtisch ersetzen sollte, auf den die entzückende kleine Rose im Alter von drei Jahren drei Schafe und eine zweibeinige Katze gemalt hatte. In grüner Tinte! Emil, der bei jeder Gelegenheit zu betonen pflegte, er hänge an dem alten Tisch mit »Rosies Schafen«, war zum Geburtstagsfrühstück mit einem Strauß roter Rosen erschienen. Natürlich achtunddreißig. Und einem selbst verfassten Gedicht, das ihn zum Vergnügen seines Sohnes als einen Dichter auswies, dem jeglicher Sinn für Rhythmus fehlte.
    »Wir haben Glück gehabt«, sagte Emil. Er sah vergnügt aus. Auf dem Küchentisch lag ein Teil von Davids Stundenplan des letzten Schuljahrs. Liesel wusste genau, was er meinte, doch sie war weder in der Stimmung zu lachen noch empfänglich für Scherze, die alte Wunden aufrissen. »Findest du es so ein Glück, dass Rose sitzen geblieben ist und ein Jahr ihres Lebens verloren hat?«
    »Du suchst das Glück immer im falschen Topf, meine Liebe. Wir sind es, die Glück gehabt haben. Wir haben ein Jahr Lebensfreude gewonnen, weil unsere beiden Kinder zu gleicher Zeit mit der Schule fertig geworden sind. Es ist, als hätten wir Zwillinge produziert. Alles in einem Aufwasch. Die dämlichen Abschlussfeiern, die überflüssigen Geschenke an unser Fleisch und Blut, das geruht hat, lesen und schreiben zu lernen, der stolze Blick, wenn wir Leuten davon berichten, die es keinen Deut interessiert, dass David einen Preis für kameradschaftliches Verhalten bekommen und Rose an einem Rhetorikkurs teilgenommen hat. Mir wäre übrigens lieber, David wäre zu Hause kameradschaftlich und Rose würde weniger reden. Aber nun schlägt unsere Stunde, Liesel. Stell dir vor, wir müssen nicht mehr unser sauer verdientes Geld für Schuluniformen hinblättern, nie mehr Essensgeld zahlen und uns abends anhören, dass Schulköche allesamt verkappte Mörder sind. Keinen Penny gibt es mehr für die Schulbib-liothek oder die Schulfeuerwehr. Und der Geburtstag von Mrs Goodwin ist mir von heute ab schnurz. Bis in alle Ewigkeit. Wer war das eigentlich?«
    »Die Schuldirektorin. Von Rose.«
    »So eine Leistung finde ich das nicht für eine Frau, jedes Jahr älter zu werden. Meiner würde ich verbieten, dass sie dafür Geld nimmt. Vor allem ist auf immer Schluss mit den Bildungsreisen an Orte, aus denen die Prinzessin auf der Erbse mit Pickeln zurückkehrt, weil sie das Essen nicht vertragen hat, und ihr Bruder mit Muskelzerrungen, weil er nicht gewohnt ist, mit Gepäck zu marschieren. Wir werden künftig keine verdammten Hockeyschläger mehr kaufen, keine Fußballschuhe und weder eine Taschenlampe für Nachtwanderungen noch irgendwelche blöden Kostüme für hochgestochene Theateraufführungen, die einen Hund jammern. Bis zum Ende unserer Tage werden wir keine Diskussionen mehr im Flüsterton führen müssen, um zu klären, ob unsere geliebte Rose nur altersgemäß faul ist oder ihre Französischlehrerin eine Antisemitin. Vor allem müssen wir auch nie mehr Angst haben, dass uns David unmittelbar vor seinem Abschlussexamen mitteilt, er hätte sich nach reiflicher Überlegung doch dazu entschlossen, Rabbiner zu werden und auf der Stelle bei Rabbi White einzuziehen, damit er nicht mehr so einsam ist, wenn er das Morgengebet sprechen muss. Auch der Kelch ist vorüber. Jedenfalls hoffe ich, dass seine gestrige Bekundung, sofort mit dem Jurastudium anzufangen, Gültigkeitswert hat.«
    »Mein Gott, so eine lange Rede hast du seit unserer Hochzeit nicht mehr gehalten. Wo nimmst du die Einfälle her? Und den Atem.«
    »Mir war einfach danach. Schon seit Tagen juckt es mich.« »Jedenfalls hat mir deine Bilanz gefallen.«
    »Das war keine Bilanz. Bilanzen sind dein Revier. Das war das

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