und das Goldene Dreieck
sondern waren auch der Sonne näher. Die Hitze des Tages hatte sich gestaut, und die Luft im Wald war drückend und still. In dieser Stille war plötzlich ein schwaches Rascheln zu hören, als blase eine willkommene Brise durch die Blätter.
Bonchoo blieb abrupt stehen. Er spähte ins Unterholz, hob beide Hände und rief: »Rau penn ploen - rau penn ploen!« Erschrocken hielt auch Mrs. Pollifax an. Sie folgte Bonchoos Blick. Erst nach einer Weile sah sie in der Düsternis etwas Langes, Dünnes metallisch schimmernd aus den Blättern herausragen. Großer Gott! Ein Gewehr! dachte sie und erstarrte.
Eine barsche Stimme rief zurück: »Rau penn kai?« Bonchoo redete rasch, scheinbar gleichmütig und mit häufigem Schulterzucken. Das Dickicht teilte sich. Zuerst kam das Gewehr zum Vorschein, dann ein kleiner, drahtiger Mann. Ein Netz von Fältchen durchzog sein braunes Gesicht, daß man meinen konnte, es seien Nähte, die seine Züge zusammenhielten. Durch die hohen Backenknochen, die auf seine hellen, wachsamen Augen zu drücken schienen, sah er fast wie ein Tibetaner aus. Er trug ein schwarzes, altes Hemd, graue Hose, Sandalen und ein zerschlissenes Stirnband. Von einer Schulter hing ein Jagdbeutel und von seinem Gürtel ein Buschmesser in einer Scheide aus Schilfrohr.
Besorgt erkundigte sich Mrs. Pollifax: »Was sagt er?«
»Ich habe ihm versichert, daß wir Freunde sind.«
»Glaubt er Ihnen?«
Bonchoo antwortete trocken: »Wenn er es täte, würde er mir nicht den Gewehrlauf in den Bauch drücken.«
»Wer ist er?«
»Ein Akha, und er spricht nicht sehr gut Thai. Er verlangt, daß wir ihn zum Dorfhäuptling begleiten, der Thai spricht. Das Dorf befindet sich etwa drei Kilometer von hier.«
»Aber ich will nicht dorthin!« protestierte sie.
»Nein? Wir können von Glück reden, daß er uns nicht gleich erschossen hat. Offenbar ist in dieser Woche hier irgend etwas vorgefallen. Hoffentlich kann ich den Dorfhäuptling davon überzeugen, daß wir keine Spione oder Banditen sind...«
»Ich fühle mich gar nicht wie ein Bandit, nur entsetzlich müde«, sagte sie unwirsch. »Fragen Sie ihn, ob er einen sehr großen Amerikaner mit zwei Schan gesehen hat.«
Bonchoo schüttelte den Kopf. »Später, später. Glauben Sie, Sie schaffen noch drei Kilometer?«
»Bergauf oder ab?«
Er lächelte schwach. »Die Akha wohnen nie auf Gipfeln, sondern gewöhnlich auf einem Berg in halber Höhe. Also kann es sowohl bergauf als auch bergab gehen.«
Sie seufzte. »Bringen wir es hinter uns.« Sie fragte sich, weshalb die Akha nie ganz oben auf einem Berg wo hnten.
Der Akha ging voraus. Darüber wunderte sich Mrs. Pollifax, denn sie dachte, wenn Bonchoo oder sie nicht so erschöpft wären, könnten sie ihn sicher mit Leichtigkeit von hinten überwältigen. Daß sie sich da täuschte, sollte sie bald erfahren: Als sie ungeschickt auf einen trockenen Ast trat, der über den Pfad gefallen war, wirbelte der Akha herum, und diesmal bekam sie den Gewehrlauf im Bauch zu spüren. Sie lächelte den Mann entschuldigend an, und sie stapften weiter. Durch die Erschöpfung und vor allem die Höhenluft begann sie, sich ein wenig schwindlig zu fühlen. Sie spürte es, als der Akha anhielt und lauschend die Hand hob. Dann drehte er sich um, blickte sie beide warnend an und sagte etwas, ganz leise, zu Bonchoo.
»Wir verlassen jetzt den Pfad«, erklärte Bonchoo ihr. »Schnell! Seien Sie leise!«
Sie bückte sich unter Ranken, stieg über andere und über niedriges Buschwerk, schob lange, nachgiebige Zweige zur Seite, teilte hohes, scharfhalmiges Gras und folgte so den beiden Männern in den Urwald. Glücklicherweise mußten sie nicht weit gehen; als sie dicht beisammenstehende Palmen erreichten, hielten sie an und versteckten sich dahinter. Mrs. Pollifax fragte sich, was in aller Welt vorging, bis sie zunächst ganz schwach Hufschlag hörte. Rechts von ihr stieg zwischen den Bäumen eine Staubwolke auf, und dann sah sie auf einem Pfad, der ihrem entgegenkam, und keine sechs Meter von ihrem Versteck entfernt, einen langen Zug schwerbeladener Esel vorbeikommen, die von einem Mann in staubigem Turban mit einem Stock angetrieben wurden. Ihm folgten drei weitere Männer, die stumm auf dem Waldpfad dahinstapften. Nur der gedämpfte Hufschlag und leichtes Knarren von Leder war zu hören. Die Stille, mit der das Ganze vor sich ging, ließ Mrs. Pollifax fast an einen Traum glauben. Doch dieser Traum und die Stille wurden plötzlich durch Rufe hinter der Karawane
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