und das Goldene Dreieck
zerrissen. Der Zug hielt an, und zwei Männer hasteten rufend und gestikulierend den Pfad hoch.
Bonchoo stupste Mrs. Pollifax, und sie nickte. Einer der beiden trug ein grellrotes Hemd, der andere ein leuchtend gelbes. Sie erkannte sie beide. Also sind sie immer noch hinter uns her, dachte sie düster. Und wie schnell sie es geschafft haben. Ich habe Gelbhemd nicht fest genug geschlagen. Sie bedauerte jetzt ihre Skrupel.
Ganz deutlich konnte sie die Gesichter der zwei durch das schützende Laub sehen. Rothemd war sehr jung, aber er erinnerte an eine gespannte Sprungfeder; sein Gesicht war hart, seine Augen waren verkniffen, als er sprach. Sein Begleiter im gelben Hemd wirkte weniger ehrgeizig, aber auch weniger jungenhaft, er hatte ein wölfisches Gesicht. Irgend etwas wurde beschlossen. Die vier von der Karawane wirkten nicht sehr erfreut, aber sie nickten. Der Zug setzte seinen Weg fort, und Rothemd sowie Gelbhemd stapften hinterher. Sie warteten noch lange in ihrem Versteck ab, was Mrs. Pollifax zuviel Zeit gab, sich klar zu werden, daß die beiden jungen Naklengs ihre Jagd auf sie nicht aufgegeben hatten. Und wenn der Pfad, den sie gekommen waren, kürzer war als ihrer, und das hatte den Anschein, bedeutete das, daß sie sich hier sehr gut auskannten. Sie dachte: Sie dürfen Bonchoo nicht finden! Er war ihre ganze Hoffnung, nur mit ihm konnte sie sich in diesem Dschungel zurechtfinden... Heftig sagte sie sich, daß sie nicht zulassen durfte, daß sie nicht zulassen würde, daß diese beiden Halunken ihn umbrachten.
Die letzten Geräusche von der Karawane waren bereits seit zehn Minuten verstummt, als der Akha sich rührte. Er führte sie über den breiteren Pfad, schob Palmenwedel und Buschwerk zu Seite, bis sie zu einem kaum erkennbaren und fast überwucherten Pfad kamen.
Mrs. Pollifax fragte Bonchoo leise: »Haben die zwei Naklengs die Männer gefragt, ob sie uns gesehen haben?«
Er nickte. »Ja, und es hat nicht viel gefehlt, und sie hätten uns tatsächlich gesehen. Wir hatten Glück, dafür werde ich viel Weihrauch im Tempel spenden - wenn ich das alles überlebe!«
»Und die Karawane, war das Opium?«
»Nein, nein - Gewehre.«
»Ich bin so müde, Bonchoo. Und so durstig.«
»Noch eineinhalb Kilometer.«
Noch eineinhalb Kilometer! Ihre Füße fühlten sich an wie blutende Stümpfe, und ihr Horizont war zu einem schmalen Streifen roter Erde auf dem Pfad vor ihr geschrumpft; eine Zukunft über den nächsten Augenblick hinweg war mehr, als sie sich vorzustellen vermochte; und die Hoffnung, Cyrus einzuholen, wurde zu einem fernen Traum, der jenseits eines schwierigen Ziels lag, das Überleben hieß: Den Zusammenbruch überleben, den Durst, zwei junge Naklengs, die sie suchten, und diesen Umweg zu einem mysteriösen Dorf, wo ein mysteriöser Dorfhäuptling entscheiden würde, ob sie gefährlich waren. Ihr Zeitgefühl verschwamm; sie zählte die Steine auf dem Pfad und bemühte sich, tief zu atmen, was ihr jetzt etwas leichter fiel, da das endlose Klettern aufgehört hatte und der Weg zumindest im Augenblick eben verlief. Trotzdem erschienen ihr die eineinhalb Kilometer, von denen Bonchoo gesprochen hatte, wie eine Ewigkeit. Irgendwo vor ihnen bellte ein Hund. Im Wald grunzte ein Schwein. Sie hörte auf, Steine zu zählen und blickte hoch. Sie sah eine Lichtung vor ihnen, sah die Umrisse eines steilen Strohdachs, dann einen staubigen Platz und ein Schwein, das in der Erde scharrte. Der Pfad wurde breiter, sie kamen auf den Platz, sie sah Leute, ein paar Kinder rannten auf sie zu und gemesseneren Schrittes folgten Frauen mit seltsamer konischer Kopfbedeckung. Die Frauen hielten sich dann jedoch scheu zurück.
»Wir sind da!« rief Bonchoo, und als er ihr Gesicht sah, erkundigte er sich besorgt: »Ist Ihnen nicht gut?«
Sie schaute ihn an, dann auf die Lichtung, die im goldenen Schein der Nachmittagssonne lag. Mit zitternder Stimme sagte sie: »Wenn ich nur...« Sie hielt inne und versuchte es erneut. »Wenn ich nur...«
Ihre Stimme versagte; erstaunt starrte sie Bonchoo an und den Akha, keuchte und fiel nach vorn. Die beiden Männer konnten sie gerade noch auffangen, ehe sie auf dem Boden aufschlug.
9
Die Nachricht über einen Umsturz in Thailand erreichte Carstairs am Donnerstag um neunzehn Uhr. Das bedeutete, daß er Bangkok einen weiteren Abend opfern mußte. Der Staatsstreich hatte eine Stunde zuvor mit der Übernahme von Radio Thailand begonnen und das Gerücht ging um, daß das Hauptquartier der 1. Armee im
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