und das Goldene Dreieck
Sorge um Cyrus war zwar nicht geringer geworden, doch es erleichterte sie, daß Bonchoo ebenso daran interessiert war, ihn zu finden. Sie hätte ihn gern nach diesen politischen Informationen gefragt, aber damit würde sie wohl bis zur nächsten Rast warten müssen. Sie wollte ihn auch fragen, welche Chancen er für Cyrus in den Händen von Wen Sas Männern sah, doch im Augenblick brauchte sie all ihren Optimismus und ihre Hoffnung, und sie war gar nicht sicher, ob Bonchoo ihr beides nicht nehmen würde. Als spüre er ihre Gedanken, blickte er sie mitfühlend an. »Wenn Dir Sahmee Ihr Mann, meine ich - den Phyot-Armreif hat, passiert ihm nichts, das müssen Sie mir glauben, denn er enthält auch ein Yantra, das vom Abt von Chiang Rai geweiht ist.«
Das beruhigte Mrs. Pollifax zwar nicht ganz, aber sie dachte, daß der Segen eines Chiang-Rai-Abtes nicht unterschätzt werden durfte und daß es lieb von Bonchoo war, sie darauf aufmerksam zu machen. »Noch etwas«, sagte er, als sie sich ans Weitergehen machten. »Wir müssen jetzt möglichst leise sein, dieses Bergland ist gefährlich. Also nicht reden.«
Erschrocken fragte sie: »Gefährlich? Wen Sas Männer?« Er schüttelte den Kopf. »Banditen.«
» Banditen?«
»Wie die Schlangen kommen sie gewöhnlich nachts aus ihren Nestern, aber wenn sie uns hören oder sehen, und da Sie Amerikanerin sind...«
Nichts hatte sie auf Banditen vorbereitet. »Was sind das für Banditen?«
»Thai Naklengs, die zu faul sind zu arbeiten«, erklärte er abfällig. »Sie rauben die schutzlosen Bergstämme aus - wie die Geier fallen sie über sie her -, und sie stürzen sich auch auf jeden, den sie ohne Gewehr antreffen. Und wir haben kein Gewehr«, gab er zu bedenken.
Mrs. Pollifax dachte an den verborgenen Goldbarren in ihrer Umhängetasche. »Das heißt also, daß wir uns nicht nur vor Wen Sas Männern, sondern auc h vor Banditen in acht nehmen müssen.«
»Und auch vor den Bergstämmen, die uns für Banditen halten könnten.«
»Die uns für Banditen halten könnten!« echote sie benommen.
Er versuchte sie zu beruhigen. »Ich glaube nicht, daß Opiumschmuggler Sie für eine Spionin halten und Sie töten werden. Es ist gut, daß Sie eine Frau sind und Amerikanerin noch dazu. Wissen Sie, Sie sehen gar nicht wie eine Spionin aus.« Er strahlte, weil ihm etwas eingefallen war, womit er glaubte, ihr die Angst nehmen zu können.
»Wie gut«, sagte sie schwach. »Hier ist es wahrhaftig ganz anders als in Bangkok.«
»Oh, Bangkok.« Das klang abfällig. »Bangkok ist so was wie ein großer Präsentierteller. Bangkok saugt den Rest des Landes aus und wird reich und groß, während wir im Norden immer ärmer werden. Nichts ändert sich hier - nichts!«
Sein Grimm erschreckte sie, aber sie schwieg. Und schweigend hängte sie sich die Tasche um die Schulter, steckte die Flasche mit ihrer kostbaren Coca-Cola ein und folgte Bonchoo in den dunklen Wald. Sie hatten keine Spuren von ihrer Rast zurückgelassen, sogar das Gras, auf dem er gesessen hatte, hatte Bonchoo wieder aufgerichtet. Sie begann zu verstehen, wie wichtig das war, als sie den Wald ringsum aus neuer Sicht sah: Nicht mehr als einsamen, verlassenen Winkel in den Bergen des Nordens, sondern als einen Ort, wo die Leute gefährlich lebten, geheimen Pfaden folgten, über Grenzen schlichen, ihre eigenen Gesetze machten und Eindringlinge ausplünderten und gar töteten.
O Bishop! dachte sie vorwurfsvoll. Und dann, o Cyrus, und sie wurde sich wieder bewußt, wie schnell sich das Leben ändern konnte, in ihrem Fall, weil sie einen Wasserkrug bewundert hatten. Doch positiv war - sie war die düsteren Gedanken leid -, daß der Tote doch nicht Ruamsak gewesen war; daß sie das Stückchen Papier von der Verpackung der Ölsardinendose gefunden hatte, was bewies, daß Cyrus lebte, als er den Dschungel betreten hatte. Sie dachte auch - allerdings mit grimmigem Humor -, daß dies eine interessante Weise sei, ganz über ihr schreckliches Erlebnis in Hongkong hinwegzukommen; es ging eben nichts über die Aussicht, es mit Banditen, Opiumschmugglern und Angehörigen von Bergstämmen zu tun zu kriegen, um jeden Gedanken an frühere Unannehmlichkeiten zu vergessen. Beruhigend fand sie, daß Bonchoo Frau und Kinder in Chiang Säen hatte: Es knüpfte Bande zwischen ihnen, die sich auf ihrem weiteren gemeinsamen Weg hoffentlich nicht lösten. Während ihre Müdigkeit zunahm, fand sie es auch beruhigend, daß Bonchoo ein kräftiger, starker Mann und an steile
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