und das Goldene Dreieck
einem Ast hingen. »Ja, er hat seine Wäsche gewaschen. Jetzt unterrichtet er die Jungen.«
»Und?« Er wandte sich ihr mit melancholischem Seufzen zu. »Er wird darüber meditieren. Er sagt, er kann Ärger über die Schans nicht unterstützen. Er glaubt nicht - ohne darüber meditiert zu haben, wissen Sie? -, daß er uns zeigen kann, wo sie sind.«
»Und wann wird er darüber meditieren?« fragte sie heftig. »Sagten Sie nicht, er ging zum Unterricht? «
Bonchoo nickte.
»Das ist ein Schock für mich«, sagte sie bedrückt. »Ich verstehe es nicht, immerhin war er so gütig und hat Morna jay geholfen.«
Bonchoo nahm den Hut ab, rieb sich den Kopf, seufzte und zog den Hut etwas tiefer in die Stirn. »Er sagt, er lebt in Frieden und Einklang mit den Bergstämmen. Er lehrt die jungen Männer, die hierherkommen, lesen; er dient den Thai, die ihren Weg zu ihm finden; er gibt den Banditen zu essen; den Rebellen Unterschlupf; und den Schmugglern sowie den Soldaten, die vorüberkommen, seinen Segen. Er verurteilt niemanden, denn jeder ist ein Geschöpf Buddhas.«
»Das ist ja schön und gut«, sagte sie hitzig, »aber haben Sie ihm erklärt, daß seine Nachbarn, diese Geschöpfe Buddhas, meinen Mann entführt haben und es leicht möglich ist, daß sie ihn töten werden, und daß zwei von ihnen versucht haben, Sie zu töten?«
Er blickte sie ernst an. »Es ist eine sehr schwierige Situation. Wir bringen ihm einen Mann, den ein Pfeil vergiftet hat, und bitten um seine Hilfe. Er weiß nichts von uns, außer daß Gewalt unser Begleiter ist. Wir müssen warten. Er ist ein heiliger Mann, Koon Emily! Er wird darüber meditieren. Wenn es sein Karma ist, uns zu helfen, wird er helfen.«
»Wie will er es wissen?«
»Er wird es wissen«, versicherte ihr Bonchoo ernst. »Selbst ich sehe es ein: Wenn er uns zu einem geheimen Lager bringt, ändert sich hier etwas. Er muß ein Mann sein, der viele Geheimnisse bewahrt. Ich bin auch traurig, aber verzweifeln Sie nicht, Mrs. Emily. Wenn der Acharya uns nicht hilft, suchen wir zwei allein weiter. Anu sagte, das Lager ist südlich...«
»Könnten wir einen der jungen Mönche überreden, daß er uns führt?«
»Nur, wenn er es gestattet«, erwiderte Bonchoo bedrückt. »Und wird es gefährlich sein allein, nur wir zwei?« Trocken sagte er: »Nur, wenn wir den Pfad nicht finden oder
den Rückweg, falls wir uns verirren.« Mrs. Pollifax nickte und stand auf. »Ich werde selbst mit dem heiligen Mann sprechen. Sie sagten, er kann Englisch?«
»Ja, sogar sehr gut.«
»Oh? Wo finde ich ihn?«
Bonchoo deutete. »Er ging hinein.« Sie fand das
Klassenzimmer ohne Mühe. Es war ein langer, fast kahler Raum und dämmrig; nur ein paar Sonnenstrahlen erhellten ihn, die durch zwei kleine Fenster mit offenen Läden fielen, und die fünf leuchtend orangefarbenen Gewänder der Novizen. Vier dieser Jungen lagen auf dem Boden und blätterten in einem Manuskript; der fünfte saß im Lotossitz daneben und sagte etwas mit Singsangstimme auf. Er blickte hoch, als Mrs. Pollifax hereinschaute und lächelte. Sie erwiderte sein Lächeln, ging jedoch gleich weiter, da sie sah, daß der Acharya nicht unter ihnen war.
Er war in der Küche und schöpfte den eingeweichten Reis, den sie bei ihrem ersten Besuch gesehen hatte, in ein Sieb aus geflochtenem Bambus zum Dämpfen. Als er sie hörte, drehte er sich um, und sie sah zum erstemal sein Gesicht. Sie dachte, wie man doch daran gewöhnt war, Haare auf dem Kopf zu sehen, dabei betonte ein geschorener Kopf das Gesicht - und welch ein eindrucksvolles Gesicht er hatte! Er sah gar nicht asiatisch aus, eher wie ein Franzose, oder - da sie keine Burmesen kannte möglicherweise wie ein Birmane. Falls er ein Thai war, mußte sein Blut viele Generationen mit dem von Kaukasiern gemischt worden sein. Es war ein sehr starkes Gesicht - stark, stark, wiederholte sie für sich -, mit brauner Haut, doch ob von Geburt oder der Sonne war schwer zu sagen. Auch die Augen waren braun, sanft und doch scharf. Sie fragte sich, ob er sich ihrer Anwesenheit bewußt gewesen war, als sie nachts im Mondschein hinter ihm gesessen hatte.
»Sprechen Sie Englisch?« fragte sie.
»Nicht in letzter Zeit«, antwortete er mit angenehmer Stimme und ohne Akzent. »Aber ich kann Englisch.«
Und spricht es sehr gut, dachte sie überrascht. Langsam, jedes Wort betonend, sagte sie: »Ich bin Emily Pollifax und mache Urlaub in Ihrem Land. Ich kam mit meinem Mann, doch er wurde entführt.«
Er nickte
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