und das Pergament des Todes
dass ich den Weg finden würde!«, triumphierte er mit einer ausholenden Geste auf das freie Land hinter dem Dschungel. Zum ersten Mal sah ich die große Bibliothek von Alexandria– einen Ort, um den sich so viele Mythen und Geschichten ranken, dass ich sogar in meiner Schule in den Ländern des Schweigens etwas davon gehört hatte. Einen der gefährlichsten Orte auf diesem Planeten.
Es war eine kleine Hütte.
Kapitel Sieben
Ich bin ein Fisch.
Nein, wirklich, bin ich. Ich habe Flossen, einen Schwanz und eine Schuppenhaut. Ich schwimme durch die Gegend und beschäftige mich mit fischigen Angelegenheiten. Das ist keine Metapher und kein Witz, sondern eine schlichte, wahre Tatsache. Ich bin ein Fisch.
Später mehr dazu.
»U nd dafür sind wir den ganzen weiten Weg hierhergekommen?«, fragte ich mit Blick auf die Hütte. Sie stand auf einer sandigen, kargen Ebene. Das Dach sah aus, als werde es jeden Moment einstürzen.
»J epp, das ist sie«, nickte Kaz, verließ den Dschungel und lief die Anhöhe hinunter, die zu der Hütte führte.
Ich sah mich nach Bastille um, die aber nur mit den Schultern zuckte. »I ch war hier noch nie.«
»I ch schon«, mischte sich Bastilles Mutter ein. »J awohl, das ist die Bibliothek von Alexandria.« Sie stampfte geräuschvoll zwischen den letzten Bäumen hindurch. Ich folgte ihr mit einem Achselzucken, und Bastille und Australia schlossen sich mir an. Während wir auf die Hütte zugingen, drehte ich mich noch einmal nach dem Dschungel um.
Er war natürlich verschwunden. Ich zögerte kurz, war dann aber schlau genug, nicht zu fragen. Nach allem, was ich in den letzten paar Monaten erlebt hatte, war ein Dschungel, der sich plötzlich in Luft auflöste, eigentlich gar nicht so besonders merkwürdig.
Ich beeilte mich, zu Kaz aufzuschließen. »B ist du dir wirklich sicher, dass wir hier richtig sind? Irgendwie hatte ich erwartet, dass die Bibliothek weniger… wie eine schäbige Hütte aussieht.«
»W äre dir eine Jurte lieber gewesen?«, fragte Kaz nur, während er auf die Eingangstür zuging und in das Innere der Hütte spähte. Ich folgte ihm.
Drinnen verschwand eine breite Treppe in der Tiefe. Die Stufen führten offenbar weit unter die Erde. Die dunkle Öffnung schien mir unnatürlich finster zu sein– als hätte jemand ein viereckiges Loch in den Boden gegraben und dabei die Textur des reinen Seins entfernt.
»D ie Bibliothek liegt unter der Erde?«, fragte ich zögernd.
»S elbstverständlich«, meinte Kaz. »W as hast du denn erwartet? Das hier sind die Länder des Schweigens– Institutionen wie die Bibliothek von Alexandria müssen möglichst unauffällig bleiben.«
Draulin bezog neben uns Position und signalisierte Bastille, dass sie die Umgebung sondieren sollte. Sie machte sich auf den Weg. Draulin ging in die entgegengesetzte Richtung und hielt dort nach möglichen Gefahren Ausschau.
»D ie Kuratoren von Alexandria sind anders als die Bibliothekare, denen du bisher begegnet bist, Al«, erklärte Kaz unvermittelt.
»W ie meinst du das?«
»N a ja, zum einen sind sie Untote, Geister, um genau zu sein«, fuhr er fort. »O bwohl es natürlich nicht nett ist, Vorurteile zu haben, nur weil jemand einer anderen Spezies angehört.«
Ich hob fragend eine Augenbraue.
»I ch will damit bloß sagen…«, meinte er schulterzuckend, »e gal, jedenfalls sind die Kuratoren älter als die Bibliothekare des Biblioden. Eigentlich sind die Kuratoren sogar älter als die meisten Dinge auf dieser Welt. Die Bibliothek von Alexandria wurde zur Zeit des antiken Griechenland ins Leben gerufen. Alexandria wurde schließlich von Alexander dem Großen gegründet.«
»W arte mal kurz«, warf ich irritiert ein. »S oll das heißen, dass es ihn wirklich gab?«
»N atürlich gab es ihn«, bestätigte Australia, die gerade zu uns gestoßen war. »W arum sollte es ihn denn nicht gegeben haben?«
Ich antwortete mit einem Schulterzucken. »K eine Ahnung. Ich bin wahrscheinlich davon ausgegangen, dass alles, was ich in der Schule gelernt habe, auf Lügen der Bibliothekare beruht.«
»N icht alles«, schränkte Kaz ein. »D ie Lehrpläne der Bibliothekare stimmen eigentlich bis zu der Zeit mit der Wahrheit überein, die circa fünfhundert Jahre zurückliegt– ungefähr der Periode, in der Biblioden gelebt hat.« Er zögerte und kratzte sich nachdenklich im Gesicht. »A llerdings stimmt es wohl, dass sie über diesen Ort hier Lügen verbreiten. Ich glaube, sie erzählen den Leuten, dass er
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