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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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fand er eine dünne schwarze Kladde, die neben der Mikrowelle steckte. Er schlug sie auf und blätterte durch die alphabetisch markierten Seiten. Er suchte nach ihm unbekannten, weiblichen Namen, Freundinnen von Paige, an die er sich wenden konnte. Doch da standen nur drei Telefonnummern: die von Dr. Thayer, der Gynäkologin, von Dr. Rourke, dem Kinderarzt, und von Nicholas’ Pieper. Es sah aus, als würde Paige sonst niemanden kennen.
    Max begann zu schreien, und Nicholas fiel auf, dass er dem Baby seit Paiges Verschwinden noch nicht die Windel gewechselt hatte. Also trug er seinen Sohn ins Kinderzimmer und hielt ihn dabei auf Armeslänge von sich, als würde er sich sonst beschmutzen. Nicholas zupfte am Schritt des Stramplers, bis die Verschlüsse sich von selbst lösten. Anschließend holte er eine neue Pampers und hielt sie in die Höhe, um herauszufinden, ob die Bilder von Micky Maus und Donald Duck nun nach vorne oder hinten gehörten, und in diesem Augenblick spürte er, wie ihn von hinten etwas Warmes traf. Ein dünner Urinstrahl schoss in hohem Bogen zwischen Max’ Beinchen hervor und spritzte Nicholas auf Hals und Kragen.
    »Verdammt sollst du sein«, knurrte Nicholas und schaute seinen Sohn an, obwohl er eigentlich Paige damit gemeint hatte. Lose befestigte er die frische Windel und ließ den Strampler offen. Er hatte keine Lust mehr, ihn zu schließen. »Jetzt werden wir dich füttern«, sagte er, »und dann wirst du schlafen.«
    Erst als er die Küche erreichte, wurde Nicholas bewusst, dass Max’ primäre Nahrungsquelle sich mehrere hundert Meilen entfernt von hier befand. Dann erinnerte er sich daran, dass Paige von einem Muttermilchersatz gesprochen hatte. Er setzte Max in den Hochstuhl und räumte auf der Suche nach Enfamil Müsli, Pasta und Dosenfrüchte aus den Schränken.
    Enfamil war ein Pulver, und Nicholas wusste, dass er auch irgendetwas sterilisieren musste, doch dafür war jetzt keine Zeit. Max schrie, und ohne überhaupt nach ihm zu sehen, setzte Nicholas Wasser auf und nahm sich drei leere Plastikflaschen, von denen er einfach annahm, dass sie sauber waren. Dann las er, was hinten auf der Enfamil-Dose stand. Ein Löffel auf sechzig Milliliter zwei Unzen. In dieser Küche musste es doch einen Messbecher geben.
    Nicholas schaute unter der Spüle nach und auf dem Kühlschrank. Schließlich fand er den Messbecher in einer Ansammlung von Pfannenhebern und Salatlöffeln. Ungeduldig wartete er darauf, dass der Teekessel endlich pfeifen würde. Als es so weit war, schüttete Nicholas je zweihundertvierzig Milliliter in jede Flasche und gab vier Löffel Milchpulver hinzu. Woher sollte er auch wissen, dass diese Menge für ein Baby in Max’ Alter viel zu groß war? Nicholas wollte Max nur irgendwie satt bekommen, ihn zum Schlafen bringen und dann selbst ins Bett.
    Morgen würde er sich dann irgendetwas überlegen, damit Max im Krankenhaus bei ihm sein konnte. Wenn er mit einem Baby auf der Schulter in den OP kam, dann würde ihm doch sicher jemand helfen. Jedenfalls konnte er sich darüber im Moment nicht den Kopf zerbrechen. Sein Schädel pochte, und ihm war so schwindelig, dass er kaum noch stehen konnte.
    Nicholas stellte zwei Flaschen in den Kühlschrank und brachte die dritte zu Max. Doch Max war nicht mehr da. Er hatte ihn im Hochstuhl gelassen, doch plötzlich war er weg. »Max!«, rief Nicholas. »Wo steckst du, Kumpel?« Er verließ die Küche und lief die Treppe hinauf. Er war so durcheinander, dass er offensichtlich erwartete, seinen Sohn im Badezimmer zu finden, wo er sich vor dem Spiegel rasierte. Dann hörte er die Schreie.
    Nicholas war nie der Gedanke gekommen, dass Max noch nicht gut genug sitzen konnte, um ihn in einem Hochstuhl alleine zu lassen. Aber was zum Teufel machte das Ding dann in der Küche? Max war aus dem Sitz gerutscht, bis sein Kopf unter dem kleinen Plastiktischchen eingeklemmt gewesen war. Da er nicht wusste, wie man das Ding von dem Stuhl löste, zog Nicholas einfach so lange daran, bis das ganze Vorderteil abriss. Kaum hatte er seinen Sohn hochgehoben, verstummte Max, doch Nicholas sah deutlich ein rotes geschwollenes Muster auf der Wange des Babys, wo die Schrauben und Haken sich in die Haut gedrückt hatten.
    »Ich habe ihn nur eine Sekunde aus den Augen gelassen«, murmelte Nicholas, und im Hinterkopf hörte er Paiges leise, klare Stimme: Das reicht schon. Nicholas hob das Baby höher an die Schulter und hörte Max seufzen. Er dachte an das Nasenbluten und

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