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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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gehangen hatte. Die Wickeldecke auf dem Flügel wiederum war durch eine bessere ersetzt worden, und daneben stand der größte Eimer Babycreme, den Nicholas je gesehen hatte, und ein Karton Pampers. Und mittendrin Nicholas’ Vater. Er war größer, als Nicholas ihn in Erinnerung hatte, aber auch dünner, und er hatte schneeweißes Haar. Er schlief auf dem Sofa und Max auf seiner Brust.
    Nicholas hielt die Luft an. Er hatte ja mit einigem gerechnet, was das erste Wiedersehen mit seinem Vater betraf: mit verlegenem Schweigen, Verachtung, ja vielleicht sogar mit Hass. Doch Nicholas hatte nicht erwartet, dass sein Vater so alt sein würde.
    Leise ging Nicholas wieder zur Tür zurück, doch er stolperte über einen Stoffball mit Glöckchen. Sein Vater öffnete die Augen. Robert Prescott setzte sich nicht auf, denn er wusste, dass er Max so wecken würde. Aber er wandte auch nicht den Blick von seinem Sohn.
    Nicholas wartete darauf, dass sein Vater etwas sagen würde – irgendetwas. Er erinnerte sich daran, wie er zum ersten Mal eine Ruderregatta in der Schule verloren hatte, und das nach einer dreijährigen Siegesserie. Natürlich hatten auch noch andere im Boot gesessen, und Nicholas hatte gewusst, dass der sechste Mann nicht kräftig genug zog. Also war es definitiv nicht Nicholas’ Schuld gewesen, dass sie verloren hatten. Aber er hatte es so aufgefasst, und als er seinem Vater nach dem Rennen gegenübergetreten war, hatte er den Kopf gesenkt und auf die Vorwürfe gewartet. Sein Vater hatte jedoch gar nichts gesagt, und Nicholas hatte das mehr geschmerzt als jede Schimpftirade.
    »Dad«, fragte er nun leise, »wie geht es ihm?«
    Nicht Wie geht es DIR? , nicht Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen? Nicholas hoffte, wenn er das Gespräch auf Max beschränkte, würde der Schmerz in seiner Brust von selbst vergehen. Unwillkürlich ballte er die Fäuste hinter dem Rücken und schaute seinem Vater in die Augen. Da waren Schatten, die Nicholas nicht deuten konnte, aber auch Versprechen. Es ist viel allzu viel geschehen, aber ich will nicht darüber reden , schien Robert zu sagen. Und du auch nicht.
    »Du hast dich gut gemacht«, sagte Robert und streichelte Max die Schultern. Nicholas hob die Augenbrauen. »Wir haben nie aufgehört, uns nach dir zu erkundigen, Nicholas«, sagte er in sanftem Ton. »Wir waren immer auf dem Laufenden, was dich betraf.«
    Nicholas erinnerte sich an Fogertys schmallippiges Grinsen, als er ihn heute ohne Max ins Krankenhaus hatte kommen sehen. »Oh«, bellte er an Nicholas vorbei den Gang hinunter. » Si sic omnia! « Und dann war er zu Nicholas gekommen und hatte ihm väterlich die Hand auf die Schulter gelegt. »Dr. Prescott, ich nehme an«, sagte Fogerty, »dass wieder ein gesunder Geist in Ihrem Körper wohnt und dass wir dieses Debakel nicht noch einmal erleben werden.« Fogerty senkte die Stimme. »Du bist mein Protegé, Nicholas«, sagte er. »Bau keinen Mist.«
    Nicholas’ Vater war in der medizinischen Gemeinde von Boston noch immer wohlbekannt. Es sollte ein Leichtes für ihn gewesen sein, den raschen Aufstieg seines Sohnes in der kardiologischen Hierarchie des Mass General zu verfolgen. Trotzdem machte die Vorstellung Nicholas nervös. Er fragte sich, was für Fragen sein Vater gestellt hatte, und vor allem, wem .
    Nicholas räusperte sich. »War er brav?«, fragte er und deutete auf Max.
    »Frag deine Mutter«, antwortete Robert. »Sie ist in der Dunkelkammer.«
    Nicholas ging den Flur zum Blauen Zimmer hinunter, der Arbeitsplatz seiner Mutter war mit Vorhängen abgetrennt. Er hatte gerade den ersten Vorhang beiseitegezogen, als er die warme Berührung seiner Mutter spürte. Erschrocken sprang er zurück.
    »Oh, Nicholas«, sagte Astrid und schlug die Hand vor den Mund. »Du hast mich genauso erschreckt wie ich dich.« Sie hielt zwei frische Abzüge in der Hand und roch nach Fixierer. Sie wedelte damit, um sie zu trocknen.
    »Ich habe Dad gesehen«, sagte Nicholas.
    »Und?«
    Nicholas lächelte. »Und nichts.«
    Astrid legte die beiden Abzüge auf einen Tisch. »Ja«, sagte sie und schaute sich die Bilder kritisch an, »es ist schon erstaunlich, dass selbst die größten Dickschädel mit den Jahren weich werden können.« Sie richtete sich auf, stöhnte und rieb sich den Rücken. »Mein Enkel war ein Engel«, sagte sie. »Dir ist sicher aufgefallen, dass wir einkaufen gegangen sind. Es gibt da einen wunderbaren Babyladen in Newton, und ich musste einfach auch zu F.A.O.

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