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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Meilen jenseits des Angelgeschäfts war ein ordentlicher, pinkfarbener Zementblock ohne irgendwelche Schilder. Ich stieg aus dem Wagen und versuchte die Tür des Ladens zu öffnen, doch die war abgeschlossen. Das große Schaufenster wurde teilweise von der untergehenden Sonne angestrahlt, deren Licht die Tabakfelder hinter mir wie Lava überspülte. Ich spähte hinein und suchte nach Kränzen, Schleiern oder einem weißen Prinzessinnenkleid. Jenseits des Schaufensters konnte ich nichts erkennen, und es dauerte eine Minute, bis ich den fein gearbeiteten Sattel mit den glänzenden Steigbügeln, das pelzbesetzte Halfter und die wollene Pferdedecke mit dem eingewebten Bild eines Hengstes hinter dem Glas bemerkte. Ich blinzelte und ging wieder zur Tür, wo auf einem handgemalten Schild, das ich übersehen hatte, stand: BRIDLES & BITS – ›Trensen & Gebisse‹. Und darunter: GESCHLOSSEN .
    Ich ließ mich vor der Tür auf den Boden sinken und zog die Knie an. Ich war die vielen Meilen umsonst gefahren. Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf: Meine Mutter arbeitete nicht hier, es war von einem völlig anderen Geschäft die Rede gewesen, ich würde Eddie Savoy den Kopf abreißen. Schmale, rosafarbene Wolken zogen über den Himmel, und plötzlich erhellte der letzte Sonnenstrahl das Innere des Reiterladens, und ich hatte perfekte Sicht auf ein Deckengemälde. Es war eine exakte Kopie jenes Bildes, an das ich mich erinnerte – jenes Bildes, unter dem ich mit meiner Mutter stundenlang gelegen hatte in der Hoffnung, die galoppierenden Pferde würden uns weit, weit wegtragen.

K APITEL 26
    N ICHOLAS
    Astrid Prescott war fest davon überzeugt, einen Geist zu sehen. Ihre Hand lag noch immer wie erstarrt auf der Messingtürklinke. Fluchend war sie zur Tür gestapft, um aufzumachen, denn Imelda suchte irgendwo nach Silberpolitur, und so war Astrid aus ihren Studien gerissen worden. Und als Folge davon sah sie sich nun unerwartet jenem Geist gegenüber, der sie schon seit Wochen heimsuchte, nachdem er ihr unmissverständlich klargemacht hatte, dass die Vergangenheit unentschuldbar war. Astrid schüttelte leicht den Kopf. Entweder fantasierte sie, oder da stand wirklich Nicholas auf der Schwelle, und er trug ein schwarzhaariges Baby auf den Armen. Beide runzelten sie die Stirn, und beide sahen sie so aus, als würden sie jeden Augenblick weinend zusammenbrechen.
    »Komm rein«, sagte Astrid in ruhigem Ton, als würde sie ihren Sohn häufiger als einmal in acht Jahren sehen. Sie streckte die Hand nach dem Baby aus, doch Nicholas gab ihr stattdessen die Wickeltasche, die er über der Schulter trug.
    Nicholas ging drei widerhallende Schritte in das Marmorfoyer hinein. »Du solltest wissen«, sagte er, »dass ich nicht hier wäre, wenn ich nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hätte.«
    Nicholas war den Großteil der Nacht über wach gewesen und hatte nach einer Alternative gesucht. Er hatte sich eine Woche unbezahlten Urlaub genommen, und trotz seiner Bemühungen war es ihm nicht gelungen, eine qualitative Betreuung für seinen Sohn zu organisieren. Beim britischen Nannyservice hatte man ihn nur ausgelacht, als er gesagt hatte, er brauche binnen sechs Tagen ein Kindermädchen. Dann hätte er fast ein Schweizer Au-pair-Mädchen angeheuert. Er war sogar so weit gegangen, sie mit Max allein zu lassen, während er einkaufen gegangen war. Doch als er wieder zurückkam, hatte Max in seinem Laufstall geweint, während das Mädchen sich im Wohnzimmer mit irgendeinem Biker vergnügt hatte. Und Kindertagesstätten mit einem guten Ruf hatten eine Warteliste, die bis 1995 zurückreichte. Und den Teenagertöchtern der Nachbarn, die nach einem Sommerjob suchten, traute Nicholas nicht von zwölf bis Mittag. Nicholas wusste, wenn er wieder wie geplant ins Mass General zurückgehen wollte, dann musste er seinen Stolz herunterschlucken und seine Eltern um Hilfe bitten.
    Und er wusste, dass seine Mutter ihn nicht abweisen würde. Das hatte er ihr schon angesehen, als er ihr zum ersten Mal von Max erzählt hatte. Er hätte darauf wetten können, dass sie Max’ Foto in ihrer Brieftasche bei sich trug. Nicholas schob sich an seiner Mutter vorbei in den Salon. Es war derselbe Raum, aus dem er Paige acht Jahre zuvor entrüstet nach draußen gezogen hatte. Sein Blick schweifte über die edlen Möbel, und er wartete auf die Fragen seiner Mutter und auf die Vorwürfe. Was hatten seine Eltern damals gesehen, das er nicht hatte erkennen

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