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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Füße spucken würde, wenn ich ihr endlich gegenüberstand.
    Ich war wie erstarrt und spürte das Blut durch meine Adern fließen. Als ich mich schließlich wieder erinnerte, wie man sich bewegt, verdrängte ich die Angst, die mich gelähmt hatte, und ging zu dem Jungen in der Box. »Bitte, entschuldigen Sie«, sagte ich. »Ich will Sie nicht stören.«
    Er schaute mich weder an, noch unterbrach er seinen Arbeitsrhythmus. »Was sind Sie schon«, sagte er, »außer einer Bremsschwelle auf der Autobahn des Lebens?«
    Ich wusste nicht, ob er eine Antwort darauf erwartete, also ging ich einfach in die Box und spürte das feuchte, weiche Stroh unter meinen Füßen. »Ich suche nach Lily Rubens«, sagte ich.
    Der Junge zuckte mit den Schultern. »Sie ist hier irgendwo«, antwortete er. »Schauen Sie mal auf der Bahn nach.«
    Auf der Bahn. Ja, auf der Bahn. Ich nickte dem Jungen zu, ging wieder den Mittelgang hinunter und starrte in Erwartung eines Wunders auf das Telefon an der Wand. Was meinte er mit ›Bahn‹?
    Ich verließ den dunklen Stall und trat in eine so helle Sonne hinaus, dass die Welt kurz nur noch weiß war. Dann sah ich den Bach, der neben dem Stall floss, und daneben eine Wellblechhalle, die mich an die alte Rollschuhhalle in Skokie erinnerte, in der jetzt ein Trödelmarkt beheimatet war. Direkt neben dem Stall, in dem ich gewesen war, stand noch ein Stall, und um einen kleinen Hügel herum war ein dritter zu sehen, der in den Hang eines Terrassenfeldes gebaut war. Zwei Kieswege führten links und rechts an der Halle vorbei. Einer davon schien durch eine große Weide zu führen, wo ein großes Pferd buckelte, und der andere verlief neben dem Bach. Ich atmete tief durch und nahm den Weg am Bach.
    Der Pfad teilte sich an einem stabilen Holzzaun. Man konnte von hier aus einen mit Heidekraut bewachsenen Hügel hinaufgehen oder durch ein Gatter in ein großes Oval voll mit rot und weiß gestrichenen Hindernissen. Eine Frau ritt am Rand des Ovals entlang auf mich zu. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, aber sie war groß und schlank und schien zu wissen, was sie tat. Das Pferd schlug mit dem Kopf. »Himmel, Eddy«, sagte sie, als sie an mir vorbeikam, »jetzt beruhig dich doch mal. Jeder hat mit den Fliegen zu kämpfen. Man könnte ja meinen, du hättest ein Monopol darauf.«
    Ich hörte aufmerksam zu und versuchte, mich an die Stimme meiner Mutter zu erinnern, doch ehrlich gesagt hätte ich sie unmöglich von anderen unterscheiden können. Vielleicht war es meine Mutter … wenn ich doch nur ihr Gesicht sehen könnte. Aber sie ritt wieder von mir weg. Die einzige andere Person hier war ein Mann. Er war verhältnismäßig klein und trug Jeans, ein Polohemd und eine Baseballkappe. Ich konnte seine Stimme nicht hören, aber er rief der reitenden Frau etwas zu.
    Die Frau trat dem Pferd in die Flanken, und das Tier flog über den Platz. Es sprang über eine dicke blaue Mauer und über ein Stangenhindernis, und dann raste es mit gefühlten hundert Meilen die Stunde auf mich zu. Ich hörte das schwere Atmen der Reiterin und sah die geblähten Nüstern des Pferdes, als es immer näher donnerte. Es würde nicht anhalten. Es würde über das Gatter springen, und ich stand ihm direkt im Weg.
    Ich duckte mich und schützte den Kopf mit den Armen, doch dann blieb das Pferd wenige Zoll von mir entfernt stehen. Sein schwerer Kopf ragte über das Gatter, und die Nase strich mir über die Finger. Der Mann rief irgendetwas von hinten. »Ja«, sagte die Frau und schaute auf mich herunter. »Das war bis jetzt die beste Runde, aber ich glaube, wir haben da jemanden zu Tode erschreckt.« Sie lächelte mich an, und ich sah, dass ihr Haar blond war und ihre Augen braun, und ihre Schultern waren breiter, als ich es je bei einer Frau gesehen hatte. Das war nicht meine Mutter.
    Ich murmelte eine Entschuldigung und machte mich auf den Weg zurück zur Gabelung und ging dann den anderen Pfad hinauf. Er führte auf ein weites Feld voller Butterblumen und Gras, das mir bis zur Hüfte reichte. Und bevor ich sie sah, hörte ich den Rhythmus ihrer Hufe – da da dum, da da dum . Zwei Pferde rasten über das Feld, als würden sie vom Teufel höchstpersönlich gejagt. Sie sprangen über einen Bach und galoppierten am Weidezaun entlang. Dann blieben sie stehen, senkten die Köpfe, um zu fressen, und schlugen im Takt mit den Schweifen.
    Ich ging wieder zurück, und als ich erneut das Oval erreichte, ritt dort niemand mehr. Also ging ich wieder zu

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