Und dennoch ist es Liebe
auf das Geld ankommt? Oder dass es mich kümmert, wer in diesem dummen, alten Haus wohnt?«
Nicholas denkt an all die Horrorgeschichten, die er von anderen Chirurgen gehört hat, deren raffgierige Weiber ihnen die Hälfte ihrer goldenen Löffel weggenommen und ihren Ruf ruiniert haben. Aber er kann sich Paige einfach nicht in einem maßgeschneiderten Kostüm im Zeugenstand vorstellen, wo sie eine vorgefertigte Geschichte abspult, um sich für den Rest des Lebens abzusichern. Er kann sich einfach nicht vorstellen, wie sie darüber diskutiert, ob eine halbe Million Dollar im Jahr für den Lebensunterhalt ausreichen. Wenn er sie freundlich fragen würde, würde sie ihm die Hausschlüssel vermutlich einfach geben. Paige ist nicht wie die anderen, das war sie nie … und genau das hatte Nicholas immer an ihr gefallen.
Paige ist das Haar ins Gesicht gefallen, und ihr läuft die Nase. Ihre Schultern zittern vor Anstrengung. »Mama«, sagt Max und streckt die Hand nach ihr aus. Nicholas dreht ihn von ihr weg und schaut zu, wie Paige sich mit dem Handrücken über die Augen wischt. Er sagt sich, dass es nicht anders enden kann, nicht nach allem, was er jetzt weiß, und doch spürt er ein Brennen in der Brust, überstrapaziertes Gewebe, das zu reißen droht, als ihm das Herz bricht.
Nicholas verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf. Er steigt in den Wagen, schnallt Max an und startet den Motor. Er versucht, sich noch einmal alles ins Gedächtnis zurückzurufen, doch er versteht einfach nicht, wie es so weit hatte kommen können – bis zu dem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Paige hat sich keinen Zoll bewegt. Nicholas kann ihre Stimme über das Brummen des Motors hinweg nicht hören, aber er weiß, dass sie ihm sagt, dass sie ihn liebt – ihn und Max.
»Ich kann nicht anders«, sagt er und fährt weg, ohne auch nur einmal zurückzuschauen.
K APITEL 37
P AIGE
Als ich am Morgen zum Frühstück herunterkomme, bringe ich meine Reisetasche mit. »Ich möchte euch für eure Gastfreundschaft danken«, sage ich steif, »aber ich glaube, ich werde heute gehen.«
Astrid und Robert schauen einander an, und dann ist es Astrid, die als Erste spricht. »Wo willst du denn hin?«, fragt sie.
Obwohl ich mit dieser Frage gerechnet habe, bringt sie mich aus dem Gleichgewicht. »Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Ich nehme an, zurück zu meiner Mutter.«
»Paige«, sagt Astrid in sanftem Ton, »wenn Nicholas die Scheidung will, dann wird er dich auch in North Carolina finden.«
Als ich nichts darauf sage, steht Astrid auf und nimmt mich in die Arme. Und sie hält mich fest, obwohl ich ihre Umarmung nicht erwidere. Sie ist dünner, als ich erwartet habe, fast schon zerbrechlich. »Und ich kann wirklich nichts tun, um deine Meinung zu ändern?«, fragt sie.
»Nein«, murmele ich, »das kannst du nicht.«
Astrid zieht sich auf Armeslänge von mir zurück. »Aber ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du nicht etwas gegessen hast«, sagt sie und geht in Richtung Küche. »Imelda!«
Sie lässt mich mit Robert allein, in dessen Gegenwart ich mich von allen Menschen im Haus am wenigsten wohl fühle. Das hat nichts damit zu tun, dass er grob oder gar unfreundlich zu mir gewesen wäre. Er hat mir sein Haus zur Verfügung gestellt, macht mir Komplimente, wenn ich zum Essen komme, und hebt die Lebensart-Seiten der Zeitung für mich auf, bevor Imelda die Rezepte rausschneiden kann. Ich nehme an, das Problem bin ich, nicht er. Ich nehme an, manche Dinge – wie Vergebung – brauchen schlicht ihre Zeit.
Robert faltet seine Morgenzeitung und winkt mir, mich neben ihn zu setzen. »Wie hieß noch mal dieses Pferd mit der Kolik?«, fragt er wie aus dem Nichts.
»Donegal.« Ich streiche die Serviette auf meinem Schoß glatt. »Aber er ist jetzt wieder gesund – oder zumindest war er das, als ich gegangen bin.«
Robert nickt. »Hm. Es ist schon erstaunlich, wie sie sich immer wieder erholen«, bemerkt er.
Ich hebe die Augenbrauen. Jetzt verstehe ich, worauf dieses Gespräch hinausläuft. »Manchmal sterben sie auch«, erwidere ich.
»Jaja, natürlich«, sagt Robert und streicht Schmierkäse auf einen Muffin. »Aber nicht die guten. Nie die guten.«
»Das hoffst du«, sage ich.
Robert schiebt mir den Muffin herüber. »Genau.« Plötzlich legt er mir über den Tisch hinweg die Hand auf den Arm. Unerwarteterweise ist seine Berührung kühl und fest, genau wie Nicholas’. »Du machst es ihm sehr leicht, dich zu vergessen, Paige.
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