Und dennoch ist es Liebe
flehenden Paige aus seinem Kopf zu verdrängen. Sie hatte so zerbrechlich ausgesehen, dass Nicholas unwillkürlich an Pusteblumen hatte denken müssen, die beim leisesten Windhauch auseinanderfliegen. Ein Wort von ihm, und sie wäre entzweigebrochen.
Doch Nicholas hat genug Wut im Bauch, um jegliches Gefühl zu unterdrücken, das er vielleicht noch für sie empfindet. Er würde sie in ihrem eigenen Spiel schlagen und ihr Max abnehmen, bevor sie das Kind missbrauchen konnte, um sich ihre eigene Absolution zu erkaufen. Er würde sich von ihr scheiden lassen und sie so weit wie möglich von sich wegjagen, und vielleicht, in fünf oder zehn Jahren, würde er ihr Gesicht dann nicht mehr sehen, sobald er seinen Sohn anschaute.
Oakie Peterborough tupft sich die fetten Lippen mit der Serviette ab und atmet tief durch. »Schau mal«, sagt er. »Ich bin zwar Anwalt, aber ich bin auch dein Freund. Du solltest wissen, worauf du dich da einlässt.«
Nicholas starrt ihm in die Augen. »Sag mir einfach, was ich tun muss.«
Oakie seufzt. »Nun, Massachusetts gehört zu den Staaten, in denen das sogenannte ›schuldhafte Verhalten‹ einer der beiden Parteien als Scheidungsgrund anerkannt wird. Das heißt im Klartext, dass du das nicht beweisen musst, aber wenn du das kannst, dann wird das Vermögen dementsprechend aufgeteilt, und …«
»Sie hat mich verlassen«, unterbricht Nicholas ihn. »Und sie hat mich acht Jahre lang angelogen.«
Oakie reibt sich die Hände. »War sie länger als zwei Jahre weg?« Nicholas schüttelt den Kopf. »Und sie war auch nicht der Hauptverdiener, oder?« Nicholas schnaubt verächtlich und wirft seine Serviette auf den Tisch. Oakie schürzt die Lippen. »Nun, dann kann man im juristischen Sinne nicht von ›Verlassen‹ sprechen. Und was das Lügen angeht … Da bin ich nicht sicher. Für gewöhnlich werden als schuldhaftes Verhalten nur Dinge wie übermäßiger Alkoholkonsum, körperliche Gewalt und Ehebruch anerkannt.«
»Das würde mich nicht überraschen«, knurrt Nicholas.
Oakie hört ihn nicht. »Schuldhaftes Verhalten schließt jedoch ausdrücklich nicht einen Konfessionswechsel oder einen Auszug aus dem gemeinsamen Haus mit ein.«
»Sie ist nicht ausgezogen«, stellt Nicholas klar. »Sie ist gegangen .« Er starrt Oakie wieder an. »Wie lange wird das dauern?«
»Das kann ich nicht sagen«, antwortet Oakie. »Das hängt davon ab, ob wir juristisch relevante Gründe für eine Scheidung finden oder nicht. Falls nicht, dann muss man sich offiziell trennen, und ein Jahr später wird dann die Scheidung ausgesprochen.«
» Ein Jahr? «, brüllt Nicholas. »Ich kann kein Jahr warten, Oakie. Sie wird irgendetwas Verrücktes tun. Sie ist gerade erst einfach losgerannt und drei Monate weggeblieben. Als Nächstes wird sie mir mein Kind wegnehmen.«
»Ein Kind«, sagt Oakie in sanftem Ton. »Bis jetzt hast du mir nichts von einem Kind gesagt.«
Als Nicholas das Restaurant verlässt, kocht er vor Wut. Folgendes hat er gelernt: Obwohl die Gerichte heutzutage nicht mehr automatisch der Mutter das Sorgerecht zusprechen, entscheiden sie ›im Interesse des Kindes‹. Und da Nicholas so viel arbeiten muss, gibt es keine Garantie dafür, dass er Max bekommt. Er hat gelernt, dass Paige Anrecht auf einen Teil seines zukünftigen Verdienstes hat, da sie ihn während seines Studiums finanziell unterstützt hat. Und er hat gelernt, dass dieses Verfahren viel länger dauern wird, als er es für möglich gehalten hätte.
Oakie hat versucht, es ihm auszureden, doch Nicholas ist fest davon überzeugt, keine Wahl zu haben. Er kann noch nicht einmal an Paige denken , ohne dass sein Rücken sich versteift und seine Finger zu Eis gefrieren. Er kann es einfach nicht ertragen, dass sie ihn zum Narren gehalten hat.
Nicholas macht sich auf den Weg zum Mass General und ignoriert dort alle, die ihn begrüßen. Als er in seinem Büro ankommt, schließt er die Tür hinter sich. Mit einer schnellen Armbewegung fegt er alles von seinem Schreibtisch herunter. Die Akte, die dabei zuoberst auf dem Boden landet, ist die von Hugo Albert, den er heute Morgen operiert hat. Und Hugo Albert feiert heute seine Goldhochzeit. Als Nicholas Esther Albert gesagt hatte, dass es ihrem Mann gut gehe, hatte sie geweint und Nicholas immer und immer wieder gedankt und gesagt, sie würden ihn fortan immer in ihre Gebete einschließen.
Nicholas legt den Kopf auf den Tisch und schließt die Augen. Er wünschte sich, er hätte eine Privatpraxis
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