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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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verantwortlich war.
    Nicholas nahm mein Gesicht in die Hände und sagte mir, dass er mich liebe. Er küsste mich, doch statt Leidenschaft fühlte ich Beschützerinstinkt. Er zog uns beide herum, und ich kuschelte mich an seine Brust und schmeckte seine Haut und seinen Schweiß. Ich versuchte, mich so eng wie möglich an ihn zu schmiegen. Doch ich schloss die Augen nicht zum Schlafen, sondern ich wartete darauf, dass Gott mich niederstrecken würde – genauso wie beim letzten Mal, als ich mit einem Mann zusammen gewesen war.
*
    Nicholas brachte mir Veilchen, zwei große Sträuße, ganz frisch. »Veilchen«, sagte ich und lächelte, »stehen für Treue.«
    »Ah ja«, sagte er, »und woher weißt du das?«
    »Das sagt zumindest Ophelia, in Hamlet «, erklärte ich ihm, nahm die Sträuße und hielt sie in der linken Hand. Kurz sah ich das berühmte Bild von Ophelia, wie sie mit dem Gesicht nach oben im Fluss treibt, tot, das Haar voller Blumen. Zwar hauptsächlich Gänseblümchen, aber auch Veilchen.
    Der Friedensrichter und eine Frau, die er uns kurz als Trauzeugin vorstellte, standen inmitten des kahlen Raums, als wir eintraten. Ich glaube, Nicholas hatte mir erzählt, der Mann sei ein pensionierter Richter. Er bat uns, unsere Namen zu buchstabieren, und sagte dann: »Liebe Brautleute.« Die ganze Angelegenheit dauerte nicht mehr als zehn Minuten.
    Ich hatte keinen Ring für Nicholas, und ich bekam Panik, doch Nicholas holte zwei leuchtend goldene Ringe aus seiner Tasche und gab mir den größeren. Er schaute mich an, und ich las klar und deutlich in seinen Augen: Ich habe das nicht vergessen. Ich werde nie etwas vergessen.
*
    Binnen weniger Minuten brach ich in Tränen aus. Nicht weil ich verletzt war, was Nicholas glaubte, noch glücklich oder desillusioniert. Ich weinte, weil ich die letzten acht Wochen ein Loch in meinem Herzen gehabt hatte. Ich hatte sogar begonnen, mich selbst ein wenig zu hassen. Doch als ich mit Nicholas Liebe machte, stellte ich fest, dass das, was gefehlt hatte, wieder da war. Sicher, es war Flickwerk, aber es war besser als zuvor. Nicholas besaß die Fähigkeit, mich zu erfüllen.
    Nicholas küsste mir die Tränen von den Wangen und strich mir übers Haar. Er war mir so nah, dass wir dieselbe Luft atmeten. Und als er sich wieder neben mir bewegte, begann ich, meine Vergangenheit auszulöschen, bis ich mich nur noch an das erinnerte, was ich Nicholas erzählt hatte und was er glauben wollte. »Paige«, sagte er, »das zweite Mal wird sogar noch besser.« Und ich setzte mich auf ihn, lockte ihn in mich hinein, und ich begann zu heilen.

K APITEL 5
    P AIGE
    Die schönste Erinnerung, die ich an meine Mutter habe, hat damit zu tun, dass wir meinen Vater hintergingen. Es war ein Sonntag, und solange ich denken kann, gingen wir sonntags zur Messe. Jeden Sonntag zogen mein Vater, meine Mutter und ich unsere besten Sachen an und gingen die Straße hinunter zu Saint Christopher, wo ich dem rhythmischen Summen der Gebete lauschte und zuschaute, wie meine Eltern die Kommunion empfingen. Hinterher standen wir dann immer auf den Stufen zur Kirche in der Sonne, und mein Vater legte die Hand auf meinen Kopf, während er mit den Morenos und den Salvuccis über das schöne Wetter in Chicago sprach. Doch an diesem einen Sonntag war mein Vater noch vor Sonnenaufgang nach O’Hare gefahren. Er flog nach Westchester, New York, um sich dort mit einem exzentrischen, alten Millionär zu treffen, in der Hoffnung, eine seiner neuesten Erfindungen an den Mann zu bringen: eine hochziehbare, verformbare Polypropylenmatratze, die man in den Doppelgaragen, die gerade modern waren, zwischen die Autos hängen konnte. Er nannte das Ding den ›Limousinenretter‹, und es sorgte dafür, dass der Lack der Wagen nicht zerkratzte, wenn sie zu dicht beieinanderstanden.
    Ich hätte eigentlich schlafen sollen, aber Träume hatten mich geweckt. Mit vier, fünf Jahren hatte ich nicht viele Freunde. Ein Teil des Problems war meine Schüchternheit, ein anderer, dass die Eltern der Nachbarskinder sie dazu anhielten, dem Haus der O’Tooles fernzubleiben. Die vollbusigen, italienischen Mamas in der Gegend sagten, meine Mutter wäre unkonventioneller, als gut für sie sei, und die dunklen, verschwitzten Männer hatten Angst, das Pech, das mein Vater mit seinen Erfindungen hatte, könne sie anstecken. Also begann ich, Spielkameraden zu erfinden, jedoch nicht so, dass ich jemanden neben mir sah, sobald ich meine Bauklötze herausholte. Ich

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