Und dennoch ist es Liebe
Krankenhaus zu Krankenhaus gehangelt hatte.
Irgendwann hatte er sich für die Herzchirurgie entschieden. Zum Glück hatte man ihn dem Krankenhaus zugeteilt, das er ohnehin allen anderen vorgezogen hätte: dem Mass General. Es war riesig, unpersönlich, chaotisch und unfreundlich, doch in der Herzchirurgie arbeitete eine Gruppe brillanter Männer und Frauen. Sie waren eigensinnig und impulsiv, kalt und effektiv. Nicholas liebte das. Als er dann nach seinem Abschluss erst einmal der allgemeinen Chirurgie zugeteilt wurde, wartete er nur darauf, wieder zur Kardiologie zurückkehren zu dürfen, um zu bestaunen, wie Alistair Fogerty am offenen Herzen operierte. Nicholas machte es nichts aus, sechs Stunden am Stück neben dem Operationstisch zu stehen und dem Klappern der Instrumente zu lauschen, solange er nur zusehen konnte, wie das Leben angehalten und wieder in Gang gesetzt wurde.
»Nicholas.« Beim Klang seines Namens drehte er sich um und sah Kim Westin, eine hübsche Frau, die mit ihm den Abschluss gemacht hatte und nun seit drei Jahren auf der Inneren arbeitete. »Wie läuft’s so?« Sie kam näher, nahm seinen Arm und begleitete ihn den Gang hinunter.
»Hey«, sagte Nicholas, »du hast nicht zufällig etwas zu essen dabei, oder?«
Kim schüttelte den Kopf. »Nein, und ich muss zur Fünf rauflaufen. Aber ich wollte dich sehen. Serena ist wieder da.«
Serena war eine Patientin, die sie in ihrem letzten Jahr als Assistenzärzte gemeinsam behandelt hatten. Sie war neununddreißig, sie war schwarz, und sie hatte AIDS – was vier Jahre zuvor noch selten gewesen war. Im Laufe der Jahre war sie immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert worden, aber Kim, die ja in der Inneren arbeitete, hatte weit mehr Kontakt zu ihr als Nicholas. Nicholas fragte Kim nicht nach Serenas Status. »Ich werde mal vorbeigehen«, sagte er. »Auf welchem Zimmer liegt sie denn?«
Nachdem Kim wieder gegangen war, ging Nicholas nach oben, um bei seinen neuen Herzpatienten Visite zu machen. Das war das Schwerste im Leben eines Arztes in der allgemeinen Chirurgie: der ständige Wechsel von einer Station zur nächsten. Nicholas hatte Urologie, Neurochirurgie, die Notaufnahme und die Anästhesie durchgemacht. Und er hatte kurz im Transplantationszentrum gearbeitet, in der Orthopädie und in der plastischen Chirurgie, wo vorwiegend Brandopfer behandelt wurden. Aber sobald es in die Kardiologie ging, war alles wieder in Ordnung. In der Kardiologie fühlte er sich zu Hause. Und tatsächlich hatte Nicholas häufiger in der Kardiologie gearbeitet, als für einen Postgraduate im dritten Jahr üblich war, denn er hatte Alistair Fogerty gegenüber mit aller Deutlichkeit erklärt, dass er gedachte, eines Tages dessen Job zu übernehmen.
Fogerty war genau so, wie Nicholas sich einen Herzchirurgen immer vorgestellt hatte: groß, fit, Ende fünfzig, mit durchdringenden blauen Augen und einem Handschlag, der einen unwillkürlich zusammenzucken ließ. Er war einer der ›Unberührbaren‹ im Krankenhaus, sein Ruf als Chirurg hatte Goldstatus erreicht. Einmal war er zwar in einen Skandal verwickelt gewesen – irgendwas mit einer Stripperin –, doch die Gerüchte waren zum Schweigen gebracht worden, und eine Scheidung hatte es auch nicht gegeben. Damit war die Sache erledigt gewesen.
Fogerty war Nicholas’ Tutor während dessen Zeit als Assistenzarzt gewesen, und eines Tages war Nicholas in sein Büro marschiert und hatte ihm von seinen Plänen erzählt. »Hören Sie zu«, hatte er gesagt, obwohl seine Kehle wie ausgetrocknet gewesen war und seine Hände geschwitzt hatten. »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, Alistair. Sie und ich, wir wissen beide, dass ich der beste chirurgische Assistenzarzt bin, den Sie hier haben, und ich will mich auf Herzchirurgie spezialisieren. Ich weiß, was ich für Sie und das Krankenhaus leisten kann. Und jetzt will ich wissen, was Sie für mich tun können.«
Einen langen Augenblick lang hatte Alistair Fogerty einfach nur auf seiner Schreibtischkante gesessen und in der Krankenakte eines Patienten geblättert. Und als er dann schließlich den Kopf gehoben hatte, lag Wut, aber keine Überraschung in seinem Blick. »Sie, Doktor Prescott«, hatte er gesagt, »Sie haben sogar noch dickere Eier als ich.«
Alistair Fogerty war zum Chefarzt der Kardiologie geworden, weil er seinen Hals riskiert und das Schicksal hofiert hatte, sodass es stets an seiner Seite blieb. Als er mit Herztransplantationen begonnen hatte, hatten
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