Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
die Zeitungen ihn den ›Wunderheiler‹ getauft. Er war berechnend, stur, und für gewöhnlich hatte er recht. Und er mochte Nicholas Prescott. Er mochte ihn sehr.
    Und so fand Nicholas auch immer Zeit, sich mit Fogerty zu treffen, selbst wenn er gerade einer anderen Abteilung zugeteilt war. Wann immer er Gelegenheit dazu hatte, besuchte Nicholas Fogertys Patienten, machte prä- und postoperative Untersuchungen und verlegte Patienten auf die Intensivstation oder wieder herunter. Kurz gesagt, er verhielt sich, als wäre er bereits fest in der Kardiologie angestellt, was eigentlich erst nach sieben Jahren Dienst der Fall sein würde. Und als Gegenleistung dafür ließ Fogerty ihn so oft wie möglich an seinen Operationen teilnehmen und förderte ihn, sodass er wirklich der Beste war – nach Fogerty selbst natürlich.
    Nicholas trat leise in den Aufwachraum, wo Fogertys letzter Patient sich gerade ausruhte. Er las sich das Datenblatt des Patienten durch. Es handelte sich um einen zweiundsechzigjährigen Mann mit dem Heyde-Syndrom – einer Fehlbildung des Ventils, das von der Herzkammer in die Aorta führt. Nicholas hätte das anhand der Symptome auch leicht selbst diagnostizieren können: Herzversagen, Synkopen, Angina. Er betrachtete den sauberen weißen Verband auf der Brust des Patienten und das orangefarbene antiseptische Gel, das noch immer die Haut bedeckte. Fogertys Werk würde wie immer perfekt sein: der Austausch des defekten Ventils gegen das eines Schweins. Nicholas überprüfte den Puls des Patienten, zog die Decke hoch und setzte sich kurz neben den Mann.
    Im Aufwachraum war es kalt. Nicholas rieb sich die Hände und fragte sich, wie der Patient, der ja nackt war, wohl mit der Temperatur zurechtkam. In jedem Fall bewiesen die rosa Kreise an Fingern und Zehen des Mannes, dass seine Pumpe noch funktionierte.
    Es war schierer Zufall, dass er sah, wie das Herz des Mannes plötzlich versagte. Nicholas beobachtete gerade das typische Auf und Ab auf dem Monitor, als plötzlich alles in sich zusammenbrach. Das Piepen der Maschine wurde immer schneller, und Nicholas überprüfte das sinoide Muster. Das Herz schlug fast einhundert Mal in der Minute! Eine Sekunde lang hielt Nicholas die Hände über den Patienten wie ein Geistheiler. Das war arrhythmisches Herzflimmern. Nicholas hatte solche Fälle auch früher schon gesehen, allerdings nur, wenn das Herz offen in der Brust lag: Dann wand es sich wie ein Sack voller Würmer, ohne jedoch Blut zu pumpen. »Kode Blau!«, brüllte er über die Schulter hinweg und sah, wie die Krankenschwestern draußen aufsprangen. Das Herz des Patienten war nach der Operation traumatisiert, doch Nicholas blieb keine Wahl. Der Mann würde binnen weniger Minuten tot sein. Wo war Fogerty?
    Beinahe sofort waren zwanzig Leute im Raum: Anästhesisten, Chirurgen, Assistenzärzte und Krankenschwestern. Nicholas klebte feuchte Gel-Pads auf die Brust des Patienten und setzte den Defibrilator an. Der Stromschlag ließ den Körper des Mannes zucken, doch das Herz korrigierte sein Schlagen nicht. Nicholas wischte sich das Haar aus der Stirn. Seine Gedanken waren vom furchtbaren Piepen und Kreischen des Monitors erfüllt und vom Rascheln der gestärkten Schwesternuniformen, die sich um ihn herum bewegten. Er war sich nicht sicher, doch er glaubte, den Tod riechen zu können.
    Nicholas erhöhte die Stromstärke und setzte den Defibrilator wieder an. Diesmal war der Schock so heftig, dass Nicholas unwillkürlich zurücksprang. Du wirst leben , versprach er sich und dem Patienten stumm. Er schaute zum Monitor. Die Kurve bewegte sich wieder gleichmäßig auf und ab: ein normaler Herzschlag. In diesem Augenblick kam Fogerty in den Raum, und Nicholas drängte sich an ihm vorbei. Alle klopften sie ihm auf die Schulter und gratulierten ihm. Plötzlich war er ein Held.
*
    Spät in der Nacht, auf Station, lernte Nicholas das Zuhören. Leise Schritte im Flur verrieten ihm, wann die Schwestern ihre Runden machten. Er beobachtete alte Männer, die gerade erst ihre Operationen hinter sich hatten, dabei, wie sie versuchten, sich in der Patientenküche um drei Uhr nachts noch einen Pudding zu ergaunern. Er wartete auf das Platschen und Zischen elektrischer Mobs, wenn der halbblinde mexikanische Hausmeister den Flur putzte. Und er bemerkte jedes Klingeln, wenn ein Patient nach den Schwestern rief, hörte das Reißen frischen Verbandmaterials und das Klappern von Tabletten beim Befüllen der Dosierschalen. Wenn er

Weitere Kostenlose Bücher